Koronare Herzerkrankung

Christoph Rubens

Letzte Aktualisierung: 15.11.2013

Krankheitsverständnis

Die Koronare Herzerkrankung (coronary artery disease, CAD) manifestiert sich ab dem mittleren Lebensalter und tritt als chronisches oder akutes Krankheitsbild auf. In ihrer chronischen Form kann sie sich durch thorakale Schmerzen (Angina pectoris), durch Luftnot unterschiedlichen Schweregrades als Symptom der Herzinsuffizienz (ischämische Kardiomyopathie) und als plötzlicher Herztod präsentieren. Die akute Form der koronaren Herzerkrankung führt als Akutes Koronarsyndrom (acute coronary syndrome, ACS) zu instabiler Angina pectoris (insbesondere thorakale Schmerzen in Ruhe oder bei kleinster Belastung), Herzinfarkt (Non-ST-Elevation-Myocardial Infarction, NSTEMI bzw. ST-Elevation-Myocardial-Infarction, STEMI) und plötzlichem Herztod. Die hohe Prävalenz der Koronaren Herzerkrankung in der zweiten Lebenshälfte trägt dazu bei, dass Herzkreislauferkrankungen in den westlichen Ländern die häufigste Todesursache darstellen.

Unter den Voraussetzungen von erblicher Veranlagung (familiäre Disposition), Lebensstilfaktoren (Fehlernährung mit Adipositas, Bewegungsarmut, Rauchen, eingeschränkte seelisch-geistige Selbstbestimmung) und Begleiterkrankungen (Dyslipidämien, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie) kommt es zur Ausbildung atherosklerotischer Plaques in Koronargefäßen, die als kalzifizierende Stenosen zu den Symptomen der chronischen Manifestation der Koronaren Herzerkrankung oder durch Plaqueruptur mit nachfolgendem thrombotischem Verschluss des Gefäßes zum Akuten Koronarsyndrom (Herzinfarkt) führen können. In der Diagnostik der koronaren Herzerkrankung kommen neben der Anamnese insbesondere das EKG, die Bildgebung (Echokardiographie, Kardio-CT, Kardio-MRT), die Ischämiediagnostik (Ergometrie, Stressechokardiographie, Myokardszintigraphie, Stress-MRT) und die invasive angiographische Darstellung der Koronargefäße (Koronarangiographie) als Grundlage für die Therapieentscheidung zur Anwendung (1, 2).

Aus Sicht der Anthroposophischen Medizin stehen sich bei der Arteriosklerose Inflammation (Auflösung von Strukturen, Zellinfiltration) und Sklerosierung (Ablagerung und Überformung, Kollagenbildung) pathophysiologisch über längere Zeit polar gegenüber ohne sich in physiologischem Sinne gegenseitig ausgleichen zu können. Diese Pathogenese spielt sich bei der Koronaren Herzerkrankung im mittleren Menschen, also in der Repräsentanz der rhythmischen Organisation ab (funktionelle Dreigliederung der menschlichen Organisation). Neben dem der Flüssigkeitsorganisation zugewandten Kreislauf des Herzens (Koronarsystem) findet sich hier auch der dem Gasaustausch dienende Kreislauf der Lunge („kleiner Kreislauf“), der allerdings nicht in arteriosklerotische Krankheitsprozesse einbezogen wird. Die Sklerose der Koronararterien kann nun den Menschen aus seiner funktionellen Mitte heraus in den Freiheitsgraden seiner Handlungsfähigkeit beschränken (Angina pectoris, Dyspnoe) bzw. im Falle einer Plaqueruptur zur drohenden oder gar vollständigen Herauslösung der Lebensprozesse aus der physischen Organisation führen (Herzinfarkt, kardiogener Schock, plötzlicher Herztod). Somit benötigt ein vertieftes ganzheitliches Verständnis der krankheitstypischen Vorgänge eine Kenntnis des Zusammenwirkens der vier Wesensglieder, welche entsprechend in eine erweiterte Diagnostik einzubeziehen ist. So entsteht Erkrankung, wenn die „oberen Wesensglieder“ (Ich und Astralleib) ohne ausgleichende Vermittlung auf die „unteren Wesensglieder“ (Ätherleib und Physischer Leib) wirken. Einseitig überformende (Sklerose) oder einseitig auflösende (Inflammation) Tendenzen können zu Pathologien führen, wie sie in der Koronaren Herzerkrankung als Arteriosklerose im mittleren Menschen mit allen ihren klinischen Erscheinungsformen vorgefunden wird. Während sich durch den Verlauf der Arteriosklerose der Koronargefäße letztlich die Flüssigkeitsorganisation (Ätherische Organisation) aus der Herztätigkeit herauszieht, kommt es auf der seelisch-geistigen Ebene zu einem pathologischen Erwachen des ansonsten träumenden astralischen Leibes im mittleren Menschen mit den Erscheinungen der Angina pectoris und der die gesamte Individualität bedrohenden Todesangst. Die Todesangst beim Akuten Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, Myokardinfarkt) ist in vollem Wortsinne real, da sich durch ein übermäßiges Eingreifen von Ich und Astralischer Organisation die Ätherische Organisation beim kardiogenen Schock oder Kammerflimmern (plötzlicher Herztod) vollständig aus dem physischen Leib herauslösen kann (3, 4, 5, 6, 7, 8).

Arzneitherapie und klinische Intervention

Beim Akuten Koronarsyndrom (ACS, NSTEMI, STEMI) ist eine leitliniengerechte Revaskularisation mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) als etablierte und evidenzbasierte Primärtherapie anzusehen, da sie nicht nur unmittelbar symptomatisch wirksam ist, sondern auch nachhaltig die Prognose verbessert. Das Revaskularisationsergebnis wird durch medikamentöse Antikoagulation und Thrombozytenaggregationshemmung gesichert und von einer unmittelbar beginnenden Sekundärprävention gestützt. Hierzu zählen sowohl die Lebensstilmodifikation in Bezug auf Rauchen, Ernährung und Bewegung als auch die pharmakologische Einflussnahme auf den Fettstoffwechsel (Statine), Bluthochdruck und Diabetes. Bei Einschränkungen der linksventrikulären Funktion ist ein frühzeitiger Beginn der Herzinsuffizienztherapie erforderlich. Bei der symptomatischen chronischen Koronaren Herzerkrankung wird in Abhängigkeit vom angiographischen Befund und nach Evaluation der klinischen Bedeutung von Koronarstenosen (Ischämienachweis, Messung der fraktionellen Flussreserve) über eine interventionelle (PCI) oder operative (Aortokoronare Bypässe, CABG) Therapie entschieden. Auch hier folgen Thrombozytenaggregationshemmung und medikamentöse bzw. lebensstilmodifizierende Sekundärprävention sowie die Herzinsuffizienztherapie bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion. Zur Therapie der ischämischen Kardiomyopathie gehören im Rahmen einer individualisierten Entscheidungsfindung zudem die Primärprophylaxe des plötzlichen Herztodes mittels implantierbarem Defibrillator (ICD) nach entsprechender Risikostratifizierung bzw. bei bereits überlebtem plötzlichem Herztod wegen Kammerflimmern der sekundärprophylaktische Schutz durch einen ICD (2).

Mit diesen hilfreichen und oftmals lebensrettenden Korrekturen und Modifikationen der Krankheitssubstrate ist das Potenzial einer am Krankheitsprozess (Pathogenese) orientierten Medizin in aller Regel ausgeschöpft. Dieser Teil der Therapie wird allerdings oftmals mit Heilung gleichgesetzt, obwohl zugrundeliegende Pathophysiologien in kausalem Sinne gar nicht berührt werden. Krankheitsprozesse können weiterhin Bestand haben und für das weitere Schicksal des individuellen Patienten von eminenter Bedeutung sein. Daher zeichnen sich am Heilungsprozess (Salutogenese) ausgerichtete Therapieansätze dadurch aus, dass sie Krankheit in ihren Gesamtzusammenhang stellen und deren Heilung durch weitere therapeutische Maßnahmen bzw. Arzneimittel unterstützen. Sucht der Arzt in diesem Sinne nach dem Heilbedarf bei der Koronaren Herzerkrankung, so geht es letztlich darum, dass die oberen Wesensglieder (Ich, Astralleib) wieder gesundend und nicht schädigend in die unteren Wesensglieder (Ätherleib, Physischer Leib) eingreifen können. Herzorgan und Herztätigkeit selbst sind ja geradezu das Urbild des die Mitte erhaltenden und Leben spendenden Rhythmus, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Gleichzeitigkeit integriert. Das gesundende Eingreifen der oberen Wesensglieder braucht im Falle der Erkrankung die unterstützende therapeutische Hilfe auf physischer, seelischer und geistiger Ebene. Dies kann primär dadurch geschehen, dass sich Ich-Organisation und Astralleib wieder in die Lage versetzen, in ordnender Weise auf die physisch-ätherischen Funktionalitäten zu wirken (Beispiel Lebensstilmodifikation in der Sekundärprävention der Koronaren Herzkrankheit) oder auch dadurch, dass auf der physisch-ätherischen Ebene Korrekturen vorgenommen werden, wodurch sich die „oberen“ Wesensglieder überhaupt erst wieder in die physiologischen Prozesse eingliedern können (Beispiel Revaskularisation in der Therapie der Koronaren Herzerkrankung).

Die den Naturreichen entnommenen anthroposophischen Arzneimittel werden herangezogen, weil sie mit der Regulationsfähigkeit des Menschen im Sinne eines aktiv heilenden Prinzips rechnen und die physisch-ätherische Prozessualität unter dem lenkenden Eingreifen der oberen Wesensglieder unterstützen können. Es können Krankheitsprozesse (Sklerose) abgenommen und Heilungsprozesse (Inflammation im Sinne einer physiologischen Gegenregulation) unterstützt werden (9). Beispielhaft sei an dieser Stelle das auf Rudolf Steiner zurückgehende pflanzliche „Herzmittel“ Cardiodoron® genannt, welches aus der Blüte der Schlüsselblume (Primula officinalis), dem Blatt des Bilsenkrauts (Hyoscyamus niger) und der Blüte der Eselsdistel (Onopordon acanthium) gewonnen wird. Aus der Charakterisierung der Pflanzen ergibt sich ein Bild der durch die rhythmische Mitte (Rhythmisches System) verbundenen Polaritäten (Nerven-Sinnes-System und Stoffwechsel-Gliedmaßensystem), also der Herzfunktion selbst: die Blüte der Schlüsselblume als Ausdruck einer ganz im flüssig-weichen Element der frühlingshaften Wachstumskräfte stehenden Pflanze und die im trocken-harten Element des Hochsommers beheimatete Blüte der Eselsdistel werden durch das rhythmisch sich gestaltende Pflanzenbild des giftigen Bilsenkrauts verbunden. Daraus ergibt sich eine breite Indikation für die Behandlung von Störungen des Herzkreislaufsystems, wodurch sich Cardiodoron® über Jahrzehnte als Basis einer Therapieerweiterung bewähren konnte. Modifikationen der Herzkreislauffunktion am gesunden Menschen im Sinne der salutogenen Regulationsfähigkeit konnten gezeigt werden (3, 10).

Eine Orientierungshilfe zu den Arzneimitteln der anthroposophischen Medizin für die Koronare Herzerkrankung wird in den entsprechenden Kapiteln folgender aktueller Kompendien gegeben: „Innere Medizin – Grundlagen und therapeutische Konzepte der Anthroposophischen Medizin“ (3), „Vademecum Anthroposophische Arzneimittel“ (11), „Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker“ (12).

Nicht-medikamentöse Therapie

Zum Repertoire der nicht-medikamentösen Therapien der Koronaren Herzerkrankung gehören in der Anthroposophischen Medizin die Heileurythmie und die künstlerischen Therapien wie Maltherapie, therapeutische Sprachgestaltung, Musiktherapie und Plastizieren, aber auch Physiotherapie, Ernährungsmedizin und Psychotherapie. Ergänzt wird das therapeutische Spektrum in der Hand entsprechend qualifizierter Krankenpflege durch äußere Anwendungen, wie z. B. spezielle Einreibungen und Auflagen. Allgemeines Ziel dieses therapeutischen Spektrums bei Patienten mit Koronarer Herzerkrankung ist die „Entwicklung des Geistes, Reifung der Seele und Gesundung des Leibes“ (3).

Eine Schulung des Willens in allen gedanklichen und körperlichen Aktivitäten (z. B. Heileurythmie), eine Förderung des Fühlens in der Selbst- und Fremdwahrnehmung (z. B. Kunsttherapien) und eine Entwicklung des Denkens durch Orientierung an objektiven Wahrheiten (z. B. Meditation) fördert die Autonomie des erkrankten Individuums und damit sein salutogenes Potenzial in der Auseinandersetzung mit der Erkrankung. So können die letztlich unverzichtbaren Voraussetzungen für eine auch in den aktuellen internationalen Leitlinien geforderte erfolgreiche Lebensstilmodifikation als Basis jeder Primär- und Sekundärprävention bei der Koronaren Herzerkrankung geschaffen werden (13).

Von besonderer Bedeutung bei sklerosierenden Herzkreislauferkrankungen wie der Koronaren Herzerkrankung ist die Entwicklung einer den individuellen Möglichkeiten angepassten Bewegungskultur, die der prägenden Dominanz der Fremdbewegtheit durch die modernen Verkehrsmittel und den Veränderungen des Arbeitslebens eine Eigenbewegtheit (wieder) entgegenstellt. Der von Rudolf Steiner 1920 formulierte Zusammenhang (14, S. 177) von krankheitsfördernder Fremdbewegtheit und gesundender Eigenbewegung ist auf der Basis umfangreicher epidemiologischer Daten zwischenzeitlich Basis jedes primär- und sekundärpräventiven Konzeptes in der Kardiologie (13, 15). Hintergrund bildet die Anschauung, dass Ablagerungen und Sklerosierungen der Koronaren Herzerkrankung durch Eigenbewegung einem „physiologischen Entzündungsaspekt“ (Wärmeentwicklung, Steigerung des Stoffwechsels) ausgesetzt werden und dadurch in einen Heilungsprozess verwandelt werden. In der Heileurythmie wird dieser Bewegungsaspekt noch um die individualisierte „Durchseelung“ bereichert und in seiner therapeutischen Funktion nachweislich vertieft (16).

In Anbetracht der vielfältigen psychogenen und persönlichkeitsassoziierten Einflüsse auf die Entstehung der Koronaren Herzerkrankung (17) kommt darüber hinaus einer Schulung und Entwicklung seelisch-geistiger Fähigkeiten in der Behandlung eine besondere Bedeutung zu. Zu den zentralen Elementen einer anthroposophisch erweiterten „Psychokardiologie“ gehören die Entwicklung eines geregelten Denkens, einer Folgerichtigkeit des Handelns, einer Duldsamkeit (Toleranz) und Unbefangenheit (Positivität) sowie des Gleichmutes (Unbefangenheit) im Gefühlsleben (1), (18, S. 127ff.). Im Hinblick auf die im Allgemeinen tief verwurzelten Hindernisse, die eine nachhaltige Lebensstilmodifikation bei Patienten mit Koronarer Herzerkrankung erschweren, kann eine im geistig-seelischen konkret übende und die Autonomie des Individuums maximal ansprechende „Psychokardiologie“ nicht genug betont werden. Sie eröffnet letztlich auch die spirituellen Dimensionen von Menschsein, Krankheit und Heilung. Die von Rudolf Steiner in Bezug auf das Herzorgan formulierten Mantren bergen ein Potenzial, das unter bestimmten individuellen Voraussetzungen zur therapeutischen Wirkung gebracht werden kann (19, 20). Vertiefung und Verstetigung der aktiv übenden und auf Entwicklung ausgerichteten Elemente der nicht-medikamentösen Therapieverfahren der Anthroposophischen Medizin sind Anliegen der sog. Herzschulen, wie sie beispielsweise in Berlin (Havelhöher Herzschule) aber auch mittlerweile an vier weiteren Standorten verwirklicht werden. Angelehnt an das Konzept von D. Ornish (21) und erweitert durch die Aspekte der Anthroposophischen Medizin wird in einem kontinuierlichen Programm (Nikotinverzicht, Ernährungs- und Bewegungsschulung, Psychotherapie, Förderung von Kreativität und Phantasie) die Verstetigung der Lebensstilmodifikation in einer Weise angestrebt, die eine nachhaltige „innere“ Entwicklung in Gang setzt und als deren Ergebnis Lebensgewohnheiten erkennbar verwandelt werden (22, 23). Somit kann die Koronare Herzerkrankung den betroffenen Menschen zu einer inneren Wandlung führen, die ihn die Aufgabe meistern lässt, im Sinne eines inneren Weges (geistige Schulung) aus gegebenen Bedingtheiten der Vergangenheit selbst bestimmte Zukunftsfähigkeiten zu gestalten.

Evaluation

Da es sich bei der Anthroposophischen Medizin dem Kernanliegen nach um eine in hohem Maße individualisierte Medizin handelt, hängt deren Erfolg ganz entscheidend von den Fähigkeiten des Arztes, den Charakteristika der jeweiligen Erkrankung und den Möglichkeiten des Patienten zur „Gesundwerdung“ ab. Individualisierung und Multimodalität der Therapie, freier Patientenwille, freie ärztliche Entscheidung und die sich daraus notwendigerweise ergebende Ethik sind Grundpfeiler der anthroposophischen Medizin. Demzufolge können klinische Endpunkte und Kriterien zur Beschreibung von Lebensqualität für die wissenschaftliche Messung zwar herangezogen, jedoch mit anderen Behandlungsweisen nicht durch Verblindung und Randomisation des einzelnen Patienten verglichen werden. Darüber hinaus sind neben befundorientierten und prognosebezogenen Endpunkten (physische Ebene) Wirksamkeit und Nutzen medizinischer Interventionen nur dann im Sinne der Anthroposophischen Medizin darstellbar, wenn die Fragen nach Befinden (seelische Ebene) sowie Sinn- und Kontextbezug (geistige Ebene) ebenfalls verfolgt und bewertet werden (24), (3, S. 79ff.). Vergleichende prospektive Kohortenstudien, die die konventionelle Therapie der koronaren Herzerkrankung mit einer durch Anthroposophische Medizin erweiterten Behandlung in diesem Sinne vergleichen, aber auch Realisierungen einer systematischen Einzelfallforschung liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor (25). Um in vergleichenden Studien Randomisation von Patienten, die nicht randomisiert werden wollen zu vermeiden, könnten z. B. mehrere Kohorten gebildet werden: konventionelle Therapiegruppe, anthroposophische Therapiegruppe mit konventioneller Therapie, anthroposophische Therapiegruppe ohne konventionelle Therapie u.v.m. Auf diese Weise würde sich z. B. die Frage bearbeiten lassen: Gibt es Heilmittel und Behandlungsverfahren der Anthroposophischen Medizin, die eine substanzielle Ergänzung der wissenschaftlich etablierten Behandlung der Koronaren Herzerkrankung darstellen? Darüber hinaus steht in der Herzkreislauf-Medizin ohnehin eine gründliche wissenschaftliche Aufarbeitung der Daten an, die die Effekte der pathogenetisch orientierten Therapieansätze (z. B. interventionelle Kardiologie) mit denjenigen der salutogenetisch orientierten Behandlungsmethoden (z. B. Lebensstilmodifikation bis hin zur spirituellen Praxis) im Kontext der sozioökonomischen Gesellschaftsentwicklung vergleichbar und damit beurteilbar machen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass im Kontrast zum Stand der wissenschaftlichen Bearbeitung eine in ideeller Hinsicht durchaus entwickelte und in der ärztlich-therapeutischen Anwendung durch Jahrzehnte bewährte und am individuellen Patienten erprobte Medizin entstanden ist, die den ganzen Menschen in den Blick zu nehmen versucht und sich damit in den hierfür qualifizierten Krankenhäusern und in vielen Einrichtungen der ambulanten Versorgung ein ernst zu nehmendes Vertrauen der Patienten erworben hat.

Literaturverzeichnis

  1. 2012 ACCF/AHA/ACP/AATS/PCNA/SCAI/STS Guideline for the Diagnosis and Management of Patients With Stable Ischemic Heart Disease. Circulation 2012(126):3097–3137.
  2. European Society of Cardiology, Guidelines available at www.escardio.org/guidelines.
  3. Girke M. Innere Medizin. Grundlagen und therapeutische Konzepte der Anthroposophischen Medizin. 1. Aufl. Berlin: Salumed Verlag; 2010.
  4. Rubens C. Die Koronarzirkulation in der Blutkreislauforganisation des Menschen. Der Merkurstab 2006;59(3):209–212.
  5. Rubens C. Zur Pathologie der Koronaren Herzerkrankung: Das endotheliale Organ und die endotheliale Dysfunktion. Der Merkurstab 2006;59(3):213–216.
  6. Schulze U. Pathophysiologie der Koronaren Herzerkrankung. Der Merkurstab 2006;59(3):217–221.
  7. Schulze U. Pathogenese und Salutogenese der Koronaren Herzerkrankung. Der Merkurstab 2006;59(3):222–227.
  8. Fried A. Psychosoziale Faktoren der Koronaren Herzkrankheit. Der Merkurstab 2006;59(3):228–230.
  9. Girke M. Anthroposophische Behandlung der Koronaren Herzkrankheit. Der Merkurstab 2006;59(3):236-247.
  10. Cysarz D et al. Evaluation of modulations in heart rate variability caused by a composition of herbal extracts. Arzneimittelforschung 2000(5):420–424.
  11. Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (Hg). Vademecum Anthroposophische Arzneimittel. 3. Aufl. Der Merkurstab Supplement 2013;66.
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  13. European Guidelines on cardiovascular diseaseprevention in clinical practice. European Heart Journal 2012(33):1635–1701.
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  16. Seifert et al. Effects of complemetary eurythmy therapy on heart rate variability. Complementary Therapies in Medicine 2009(17):161–167.[Crossref]
  17. Rozanski A. Impact of Psychological Factors on the Pathogenesis of Cardiovascular Diesease and Implications for Therapy. Circulation 1999(99):2192–2217.[Crossref]
  18. Steiner R. Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10. 24. Aufl. Dornach: Rudolf Steiner Verlag; 1992.
  19. Selg P. Mysterium Cordis: Von der Mysterienstätte des Menschenherzens – Studien zu einer sakramentalen Physiologie des Herzorganes. Dornach: Verlag am Goetheanum; 2003.
  20. Selg P. Das Herzorgan in Mantren Rudolf Steiners. Der Merkurstab 2006;59(6):525–532.
  21. Ornish D et al. Can lifestyle changes reverse coronary heart disease? Lancet 1990(36):129–133.[Crossref]
  22. Bopp A, Fried A, Friedenstab U. Die Havelhöher Herzschule. Neue Perspektiven für Herzpatienten. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben; 2009.
  23. Fried A. Havelhöher Herzschule. Der Merkurstab 2006;59(3):258–261.
  24. Heusser P. Anthroposophische Medizin und Wissenschaft – Beiträge zu einer integrativen Anthropologie. Stuttgart: Schattauer Verlag; 2011.
  25. Kienle GS, Kiene H, Albonico HU. Anthroposophic Medicine: Effectiveness, Utility, Costs, Safety. Stuttgart, New York: Schattauer Verlag; 2006.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin