Erkenntnisgrundlagen zum Verständnis des Urphänomens (Teil I)
Der Merkurstab 2001;54(4):237-243.
Article-ID: DMS-17887-DE
DOI: https://doi.org/10.14271/DMS-17887-DE
Zusammenfassung Das Wort Phänomen wird in der anthroposophisch-medizinischen Literatur oft gebraucht. Fragestellung: Was beinhaltet eine geisteswissenschaftlich verstandene Phänomenologie? Ergebnis: 1. Wahrnehmungen werden erst in der Empfindung bewusst, indem ich mich seelisch Ersteren zuwende (Angeschautes): Sinnesvermitteltes Phänomen. Begriffe werden über das Denken bewusst und beleuchten das Angeschaute (Anschauung): Ergriffenes und begriffenes Phänomen. Beides erscheint im Freiraum des Bewusstseins als phänomenal ,verbunden-getrennt'. 2. Im Angeschauten offenbaren sich die Weltenkräfte, in der Anschauung die geistigen Kräfte, welche beide aber wie alle Kräfte nicht sinnlich zu erfahren sind. Die rein phänomenologische Sicht muss auf die Erfahrung dieser Kräfte erst einmal verzichten. 3. Aus der Begegnung von Empfinden und Begreifen erstehen die persönlichen Vorstellungen, denen sich das Gefühl zuwendet. Dieses kann von den eigenen Sym- und Antipathien gereinigt werden und somit den Weg zur Wahrheit weisen. 4. Der Erkenntnisweg zum Urphänomenalen i.S. Goethes folgt genau diesen Prinzipien. 5. Die Phänomenologie ohne geisteswissenschaftliche Erweiterung ist für den Erkennenden schmerzhaft, weil sie sich der Grenzen zum Bereich der Kräfte bewusst bleiben muss. Sie verspricht wohl Transzendenz, kann aber das Versprechen nur bis zum Urphänomenalen halten. Dies schützt vor Illusionen, regt aber zur Erübung des übersinnlichen Wahrnehmens an.