Havelhöher Herzschule

Andreas Fried
Artikel-ID: DMS-18898-DE
DOI: https://doi.org/10.14271/DMS-18898-DE

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Dieser Artikel beschreibt die Voraussetzungen und die Therapieprinzipien der Havelhöher Herzschule. Neben den 5 Schritten (Rauchverzicht, Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, moderates Körpertraining, Stressmanagement und persönliche Unterstützung) wird auf die Besonderheiten/Schwierigkeiten der Lebensstilmodifikation eingegangen. Insbesondere wird auf die Cruppengesprächstherapie in Hinblick auf die Entwicklungsmöglichkeit durch Krankheitsverarbeitung und ihre Widerstände vertieft eingegangen.

The paper describes the preconditions and principles of Havelhoehe cardiovascular training. Apart from the five steps (stop smoking, change eating habits, moderate physical training, stress management and individual support), the special features/problems of modifying one's lifestyle are considered. Special attention is given to group therapy with regard to the development potential of working through the disease and to resistances.

Havelhöher Herzschule

Andreas Fried

Die Therapie der koronaren Herzkrankheit als ultra-chronisch-entzündliche Erkrankung, wie dies in dem vorangegangenen Artikeln bereits dargestellt wurde, beruht im Prinzip auf drei Säulen:

Die erste Säule ist die interventioneile Behandlung durch Ballonaufdehnung und Stent-Implantation und/oder Bypass-Operation. Die Therapieform ist eine Domäne der Akutmedizin bei akut-erkrankten Herzpatienten und hat ihren berechtigten Stellenwert.

Die zweite Therapiesäule ist die medikamentöse Behandlung, mit ihren differenzierten Möglichkeiten. Entscheidend ist, dem akut erkrankten Herzpatienten in einer lebensbedrohlichen Krisezu helfen und sein Überleben zu sichern. Nach wie vor beträgt die Letalität bei einem akuten Herzinfarkt fast 50%. Zwei Drittel dieser 50 % versterben sofort bei Eintreten ihres Herzinfarkts am Sekundenherztod, u.a. auch durch Verkennung ihrer Symptome, die häufig im Vorfeld nicht richtig beachtet werden. Rund 10 bis 15 % der Herzinfarkt-Patienten versterben weiterhin nach Eintreffen in einem Kranken¬ haus an den Folgen ihres Herzinfarkts, wobei es in den letzten Jahren zu einer Halbierung dieser Letalitätsquote durch eine zunehmend aggressive interventionelle Therapie gekommen ist.

Die dritte Säule, die die gleiche Effektivität hat wie die beiden erstgenannten, ist bei überstandenem Herzinfarkt die Prävention im Sinne der Risikofaktorenmodifi¬ kation. Darunter wird die Kontrolle und Veränderung der bekannten Risikofaktoren der KHK benannt. Wir unterscheiden nicht beeinflussbare Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und auch Vererbung von beeinflussbaren, wie die folgenden:

a) somatische Risikofaktoren sind Rauchen, ernährungsabhängige Risikofaktoren wie Cholesterin- und Triglyceriderhöhung, das Übergewicht, der Diabetes mellitus Typ 2 und der Bluthochdruck sowie die körperliche Inaktivität.

b) zusätzlich zur Gruppe beeinflussbarer Risikofaktoren gehören pychosoziale wie chronische (z.B. berufliche) Stressbelastungen, soziale Isolation, feindseliges Verhalten/Ärgerbereitschaft, Depression und Angst und sozio-ökonomische Benachteiligung („Armut macht krank!")(1).

Hier liegt eine besondere Herausforderung für die anthroposophisch erweiterte Heilkunst, da sie sich dem gesamten Menschen, nicht nur seiner Krankheit zuwendet, und diesen Prozess der Krankheit in einem Kontext seiner gesamten Lebensgeschichte als „sich-entwickelndes Wesen" sieht (siehe z. B. den Beitrag von Matthias Girke in diesem Heft). Zusätzlich zeigte die Arbeit von Dean Ornish (2) erstmalig, dass durch konsequente Lebensstilveränderungen und die von ihm zusammengestellte Therapie innerhalb kurzer Zeit die Verengung der Herzkranzgefäße bei infarktgefährdeten Patienten ohneden Einsatz lipidsenkender Medikamente und ohne Operation/Ballondilatation zurückgebildet werden kann.

Die wesentlichen 5 Schritte des Originalprogrammes sind:

  • der Verzicht auf das Rauchen
  • eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten
  • regelmäßiges, sinnvolles Körpertraining
  • regelmäßiges Stressabbau-Training
  • UnterstützungdurchTherapeuten und Mitpatienten.


So wurde im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe unter Einbeziehung der Anthroposophischen Medizin, die den Menschen als Einheit von Körper,Seele und Geist anspricht, ein eigenes Konzept entwickelt, das sich an die 5 Schritte des Originalprogramms hält und es nach unseren Erkenntnissen modifiziert. Gegründet wurde
die „Havelhöher Herzschule" 1998, um neben der akutkardiologischen Therapie (s.o.) am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe ein gleichgewichtiges Projekt zur langfristigen Heilung der an koronarer Herzkrankheit erkrankten Patienten anzubieten.

Das Programm beginnt mit einer Intensivwoche zurLebensstil- Veränderung mit Ernährungsumstellung und Küchenpraxis, persönlichem Stressmanagement, individuellem Bewegungstraining, meditativer Entspannung und Gesprächen. Das Seminar findet in dem ruhig gelegenen Hotel Schloss Reichenow im Berliner Umland statt, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich ungestört von den Belangen des Alltags ganz auf ihre Gesundheit und die Umstellung ihrer Lebensweise zu konzentrieren. Die Teilnahme der Lebenspartnerin/des Lebenspartners ist ausdrücklich erwünscht. Betreut wird dieser Kursus von zwei Ärzten,einer Heileurythmistin,einer Ernährungsberaterin/Oekotrophologin sowie einem Dipl.-Psychologen/Psychotherapeuten.

Im Anschluss an die Intensivwoche bieten wir eine fortlaufende Gruppe (wöchentlich 4 Stunden über den Zeitraum eines Jahres) zur Vertiefung und Integration des Gelernten im Berufs- und Alltagsleben.

Zusätzlich empfehlen wir unseren Patienten die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Koronarsportgruppe/ ambulanten Herzgruppe, bei der die üblichen Methoden durch Bothmer-Gymnastik und Heileurythmie bereichert werden.

Um die von Dr. Ornish nachgewiesenen Erfolge zu erreichen, raten wir unseren Patienten erst die Intensivwoche mitzumachen und anschließend an der fortlaufenden Gruppe einschließlich des Koronarsports teilzunehmen. So wurden im Verlauf der letzten 8 Jahre ca. 150 Patienten betreut. Unsere Herzschule ist auf 8 Jahrgänge angewachsen, die ersten 7 Jahrgänge wurden auf 2 Klassen verteilt, da ein Großteil der Einjahresteilnehmer an dieser Therapieform über das erste Jahr hinaus weiter teil nehmen wollte, so dass zurZeit ca. 60 Patienten in unserer kontinuierlichen Betreuung verbleiben und jede Woche vier Stunden von uns betreut werden.

Der Ablauf dieser ambulanten Phase sieht wie folgt aus: Die ersten 60 Minuten sind der Bewegung gewidmet, ergänzt durch Heileurythmie und Bothmer-Gymnastik. Ein „erstmal Ankommen" am Ort der Havelhöher Herzschule ist nicht nur im physischen Sinne wesentlich.

Ein kleinererTeil der Gesamtgruppe widmet sich parallel der Essensvorbereitung und stellt zusammen mit der Ernährungsberaterin in unserer Küche die Abendmahlzeit für die Gesamtgruppe her. Wir vertreten keine besondere Diätform und unterscheiden uns insbesondere von den diätetischen Therapieempfehlungen Ornish's, der auf einer extrem fettarmen Kost beharrt. Durch neuere Erkenntnisse, insbesondere durch die Lion Heart Study (3), ist eine klassische mediterrane Kost ebenso effektiv.

Dies bedeutet eine salat-, obst- und gemüsereiche Kost mit relativ wenig tierischen Fetten in Fleisch- und Milchprodukten. Entscheidend ist nicht die einzelne quantitative Aufschlüsselung nach Eiweiß, Fetten und Kohlenhydraten, sondern die Schulung der Patienten in ihrer Urteilsfähigkeit bezüglich der Auswahl geeigneter Lebensmittel und des bewussten und entspannten Essens. Auch hier gilt der Grundsatz des „Weniger ist mehr", der bewussten Hinwendung zum Essen als einem Genuss.

(...)

1 Deutsches Ärzteblatt 2005: 102: A 1.889-1.895

2 Ornisch D et al. Can lifestyle changes reverse coronary heart disease:The lifestyle heart trial. Lancet; 336.1990:129-133

3 Lyon Diet Heart Study. Circulation 1990; 99:779-785

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