TY - JOUR T1 - Anthroposophisch-ärztliche Therapie bei chronischen Erkrankungen: eine vierjährige prospektive Kohortenstudie AU - Hamre, Harald J. AU - Witt, Claudia M. AU - Glockmann, Anja AU - Ziegler, Renatus AU - Willich, Stefan N. AU - Kiene, Helmut PY - 2013 N2 - Hintergrund: Die kurze Konsultationsdauer in der hausärztlichen Versorgung wurde wiederholt beklagt und der Wunsch nach einer längeren Konsultationsdauer ist ein häufiger Grund dafür, dass Patienten komplementärmedizinische Therapien in Anspruch nehmen. Ärzte, die Anthroposophische Medizin praktizieren, führen erweiterte Konsultationen mit ihren Patienten durch, in denen sie eine erweiterte Anamnese erheben. Die konstitutionellen, psychologischen und biografischen Aspekte der Erkrankung werden betrachtet, die optimale Therapie wird ausgewählt. In Deutschland wurde dieser zusätzliche ärztliche Zeitaufwand von den Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten erstattet. Das Ziel der vorliegenden Studie war, den Krankheitsverlauf bei Patienten zu beschreiben, die nach einer erstmalig erweiterten Konsultation von anthroposophischen Ärzten wegen chronischer Erkrankungen behandelt wurden.Methodik: Im Kontext eines Modellprojekts wurde eine prospektive Kohortenstudie durchgeführt. Bei Studienaufnahme wurden 233 Patienten im Alter von 1–74 Jahren aus 72 Arztpraxen in Deutschland nach einer Konsultation von mindestens 30 Minuten Dauer aufgenommen. Hauptzielparameter waren der Schweregrad der Erkrankung (Krankheits- und Symptomscore, Einschätzung des Arztes bzw. des Patienten auf einer numerischen Skala von 0 bis 10) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Erwachsene: SF-36; Kinder von 8–16 Jahren: KINDL, Kinder 1–7: KITA). Der Krankheitsscore wurde nach 0, 6 und 12 Monaten dokumentiert, die anderen Zielparameter nach 0, 3, 6, 12, 18, 24 und (Symptomscore und SF-36) 48 Monaten.Ergebnisse: Die häufigsten Indikationen waren psychische Erkrankungen (17,6 % der Patienten: überwiegend Depression und Erschöpfung), Atemwegserkrankungen (15,5 %) und Muskel-Skelett- Erkrankungen (11,6 %). Die Krankheitsdauer bei Studienaufnahme lag im Median bei 3,0 Jahren (Interquartilbereich 0,5–9,8 Jahre). Die Konsultation, die zur Studienaufnahme führte, dauerte bei 51,5 % (n = 120/233) der Patienten 30–60 Minuten und bei 48,5 % länger als 60 Minuten. Im ersten Studienjahr fanden im Median 3 (Interquartilbereich 1,0–7,0) weitere ausführliche Konsultationen bei dem anthroposophischen Arzt statt, 86,1 % (167/ 194) der Patienten wendeten anthroposophische Arzneimittel an. Alle Zielparameter bis auf die KITA-Subskala Alltag und die KINDL-Skalen verbesserten sich zwischen Studienaufnahme und allen folgenden Follow-ups signifikant. Die Verbesserungen zwischen Studienaufnahme und 12 Monaten waren: Krankheitsscore von durchschnittlich (Standardabweichung) 5,95 (1,74) auf 2,31 (2,29) Punkte (p < 0,001), Symptomscore von 5,74 (1,81) auf 3,04 (2,16) (p < 0,001), SF-36 Körperliche Summenskala von 44,01 (10,92) auf 47,99 (10,43) (p < 0,001), SF-36 Psychische Summenskala von 42,34 (11,98) auf 46,84 (10,47) (p < 0,001) und KITA-Subskala Psychosoma von 62,23 (19,76) auf 76,44 (13,62) (p = 0,001). Alle diese Verbesserungen blieben bis zum letzten Follow-up erhalten. Die Verbesserungen waren ähnlich bei Patienten, die keine indikationsbezogene Begleittherapie in den ersten sechs Monaten erhielten.Schlussfolgerung: Patienten, die von anthroposophischen Ärzten nach einer erstmaligen ausführlichen Konsultation behandelt wurden, erfuhren eine nachhaltige Verbesserung chronischer Krankheitsbeschwerden und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Obwohl das Prä-Post-Design der vorliegenden Studie keine Schlussfolgerung hinsichtlich vergleichenden Nutzens (engl. comparative effectiveness) zulässt, legen die Studienergebnisse doch nahe, dass anthroposophische ärztliche Therapie in der Langzeitversorgung chronisch kranker Patienten hilfreich sein kann. SN - 0935798X JF - Der Merkurstab. Zeitschrift für Anthroposophische Medizin JA - Der Merkurstab. Zeitschrift für Anthroposophische Medizin DO - 10.14271/DMS-20119-DE VL - 66 IS - 2 SP - 120 EP - 132 UR - https://www.anthromedics.org/DMS-20119-DE ER -