Stellungnahme zum Jahresgutachten 1990 des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

Jürgen Schürholz
Artikel-ID: DMS-15884-DE
DOI: https://doi.org/10.14271/DMS-15884-DE

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Zusammenfassung und Ausblick Der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinem Jahresgutachten widersprüchliche Aussagen gemacht, die dringend der Klärung bedürfen. Einerseits erklärt er: „Die Subjektivität des Krankheitsbegriffes, die Therapiefreiheit des Arztes und die beschränkte Wissenschaftlichkeit der Medizin machen es unmöglich, das medizinisch Notwendige stringent abzuleiten ..." und „die Medizin ist mit Begriffen der Wissenschaft weder von ihren Grundlagen her noch auf ihre Absichten hin umfassend zu erklären". (Ziff. 282, 283). Andererseits kommt er zu der Aussage: „Die Beschränkung des Leistungsgeschehens auf das medizinisch Notwendige und im Einzelfall Erforderliche ist in Zukunft um so dringlicher, als zur Gewährung des Grundsatzes Beitragsstabilität Reallokationen im Interesse einer Grenznutzenangleichung vorgenommen werden müssen. Es ist unter den Bedingungen knapper Mittel nicht zu verantworten, nach wissenschaftlichen Maßstäben unwirksame Behandlungen durchzuführen und u. U. auf wissenschaftlich wirksame Behandlungen aus Mittelmangel zu verzichten." (Ziff. 280) Wenn die Gutachter nach den erstgenannten selbstgetroffenen Analysen um der Machbarkeit willen einen paradigmatisch gestützten Gedankenweg zu gehen empfehlen, der die Subjektivität, die allen medizinischen Leistungen sowohl auf Seiten des Behandelnden als auch auf Seiten des Behandelten immer zugrunde liegt, negiert, dann wird dieser von einer Vielzahl von Ärzten und Patienten nicht mitgegangen werden. Auf dem Boden der Aussagen kompetenter (schulmedizinisch) führender Wissenschaftler zur methodischen Unzulänglichkeit der bisherigen klinischen Prüfmethoden verbietet es sich, diese zum allgemeinen Maßstab der Wissenschaftlichkeit zu machen. Das intersubjektive Arzt-Patienten-Verhältnis verlangt Methoden, die es ermöglichen, Erfahrungen über Arzneimittel zu sammeln und intersubjektiv kommunizierbar zu machen, ohne einzelne Kranke im Kollektiv zur statistischen Größe degradieren zu müssen. Denn wenn heute klar ist, daß die Onkologie trotz einer immensen Forschung nicht in der Lage ist, für die medizinische Praxis gültige Empfehlungen für die Behandlung im Einzelfall zu formulieren, dann ist dies ein Beweis für die methodische Unzulänglichkeit, auf welche die kritische Öffentlichkeit enttäuscht reagiert, weil sie von der Medizin auch methodische Hilfe für den Einzelnen erwartet. Ärzte, die mit Methoden der besonderen Therapierichtungen arbeiten, sind prinzipiell auf den Einzelfall hin orientiert und haben mindestens teilweise gedankliche Bezugssysteme, die das naturwissenschaftliche am „Phänomen Mensch" ergänzen. Die vom Sozialversicherungssystem vorgesehenen Nivellierungen, die sich an Paradigmen der Naturwissenschaft orientieren, schaffen einen dauerhaften Konflikt in unserem Gesundheitswesen, der sich in der Auseinandersetzung zwischen der Schulmedizin und den besonderen Therapierichtungen weiter niederschlägt. Es muß für die Zukunft geklärt werden, in welchem Umfang besondere Therapiewünsche auf Kosten der Allgemeinheit geäußert und befriedigt werden können. Diese Fragestellung betrifft aber nicht nur die besonderen Therapierichtungen, sondern auch alle Neulandmethoden wie das Recht auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt. Ob eine Therapie wirksam und nützlich ist, entscheidet sich am Erreichen des therapeutischen Zieles, um dessentwegen sie eingeleitet wurde, und nicht daran, ob sie wissenschaftlich anerkannt wurde. Weiter muß klargestellt werden, daß die Kosten für die Leistung einer besonderen Therapierichtung nicht deshalb verweigert werden dürfen, weil diese aus schulmedizinischer Sicht nicht zweckmäßig oder notwendig ist. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einer schulmedizinischen Leistung und einer Leistung einer der besonderen Therapierichtungen kann nur getroffen werden, wenn Vergleichbarkeit in bezug auf die therapeutische Zielsetzung besteht. Darüber hinaus muß sichergestellt werden, daß die verschiedenen wissenschaftlichen Standpunkte, denen bei der Formulierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) 1976 und auch in der allgemeinen Prüfrichtlinie 1989 im Sinne des Wissenschaftspluralismus Rechnung getragen wurde, auch im GRG gemeint sind. Zur Lösung der anstehenden medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fra- gen ist zu untersuchen, wie der im AMG weitgehend verwirklichte medizinische Pluralismus durch Einrichtung besonderer Kommissionen auch im Rahmen der GKV strukturmäßig verankert werden kann und wie Anreize dafür geschaffen werden können, daß die Eigenverantwortlichkeit bei Arzt und Patient auch im Hinblick auf die Solidargemeinschaft gefordert werden kann.

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