Thyreologie

Einführung

Roland Zerm, Matthias Girke

Letzte Aktualisierung: 13.04.2017

Die Schilddrüse zeigt bereits durch ihre physiologischen Funktionen enge Beziehungen zum seelisch­geistigen Wesen des Menschen. So weist z. B. der Morbus Basedow auf vorausgehende belastende Lebensereignisse und Schicksalsschläge, (sog. major life events) (1) und zeigt damit nicht nur die beeindruckende Symptomatologie der Hyperthyreose, sondern seinen Zusammenhang mit der Biografie des Menschen. Diese autoimmune Erkrankung kommt normalerweise im Tierreich nicht vor. Sie ist eine „menschliche“ Erkrankung und damit mit dem „Ich-Wesen“ des Menschen verbunden, das sich in der Biografie verwirklicht. Durch ein integriertes therapeutisches Vorgehen werden daher nicht nur Aspekte des physischen Organs und seiner hormonellen Aktivität berücksichtigt und einer ggfs. einstellenden Therapie unterzogen, sondern heilende und krankheitsüberwindende Kräfte im menschlichen Wesen aktiviert (2). Heilung ist in diesem Sinne nicht die medikamentöse Einstellung eines fehlfunktionierenden Organs, sondern eine therapeutisch unterstützte aktive Leistung des Patienten. Sie umfasst neben der symptomatischen Besserung insbesondere Schritte der inneren Entwicklung, Selbstwirksamkeit und Besonnenheit, Freude auch am Alltäglichen des Lebens und Umgang mit Depressivität und Angst.

Schilddrüsenerkrankungen im Lebenslauf

Schilddrüsenerkrankungen begleiten entscheidende Phasen der Biografie. Die Adoleszentenstruma, als palpatorisch vergrößertes Organ mit weicher Konsistenz tastbar, markiert die Pubertätsjahre. Die immunogenen Thyreopathien (Hashimoto, Morbus Basedow) betonen in ihrer Häufigkeit besonders die mittlere Lebenszeit. Die im letzten Drittel des Lebens vor allem anzutreffende nodös umgebaute Struma entwickelt Krankheitsprozesse der Sklerose und Verhärtung, die in den manchmal kalzifizierten Schilddrüsenknoten erkennbar werden. Damit weisen die Schilddrüsenerkrankungen auf Einschränkungen und Behinderungen, die sich für die in der ersten Lebenshälfte inkarnierende und in der zweiten wiederum aus dem Leib lösende seelisch­geistige Wesenheit des Menschen ergeben.

Konsequenzen für die Therapie

Gegenwärtige therapeutische Vorgehensweisen beziehen sich auf Substitution (Jod, L­Thyroxin) und Suppression (Thyreostatika) sowie interventionelle Strategien (Schilddrüsenchirurgie, Radiojod­Therapie). Sie fokussieren auf Veränderungen im Schilddrüsen­Stoffwechsel und der physischen Schilddrüsen­Organisation. Der anthroposophische Therapieansatz berücksichtigt darüber hinaus das lebendige, seelische und geistige Wesen des Patienten durch die spezifische Arzneitherapie, die Eurythmietherapie und Kunsttherapien als auch durch die biografisch orientierte Psychotherapie.

Literaturverzeichnis

  1. Fukao A, Takamatsu J, Murakami Y, Sakane S, Miyauchi A, Kuma K, Hayashi S, Hanafusa T. The relationship of psychological factors to the prognosis of hyperthyroidism in antithyroid drug-treated patients with Graves' disease. Clinical Endocrinology (Oxf). 2003;58(5):550-555.
  2. Heckmann C. Jahresrhythmus und Schilddrüsenfunktion unter besonderer Berücksichtigung des Morbus Basedow. Tycho de Brahe Jahrbuch für Goetheanismus. Niefern Öschelbronn: Tycho Brahe Verlag; 2004.

Neues aus der Forschung

Misteltherapie in Ergänzung zur Standard-Immunbehandlung bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs weist auf verbesserte Überlebensrate hin
Die Immuntherapie mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren hat die Überlebensraten von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erheblich verbessert. Die Ergebnisse einer Studie mit realen Daten (RWD), in der die zusätzliche Gabe von Viscum album L. (VA) zur Chemotherapie untersucht wurde, haben einen Zusammenhang mit dem verbesserten Überleben von Patienten mit NSCLC gezeigt - und zwar unabhängig von Alter, Metastasierungsgrad, Leistungsstatus, Lebensstil oder onkologischer Behandlung. Zu den Mechanismen gehören möglicherweise synergistische Modulationen der Immunantwort durch PD-1/PD-L1-Inhibitoren und VA. Diese Ergebnisse weisen auf die klinische Bedeutung einer zusätzlichen VA-Therapie hin; sie besitzen jedoch naturgemäss Limitationen, da es sich um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie handelt. Die Studie ist in Cancers frei zugänglich publiziert: 
https://doi.org/10.3390/cancers16081609.

 

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