Therapeutische Sprachgestaltung bei Angst

Dietrich von Bonin

Letzte Aktualisierung: 25.07.2018

Die Therapeutische Sprachgestaltung wirkt auf physiologischer, seelischer und geistiger Ebene und wird entsprechend differenziert in der Palliativmedizin eingesetzt. In Abhängigkeit vom Allgemeinzustand führt sie der Patient aktiv aus oder lässt die Sprache rezeptiv wirksam werden. Gesprochene Laute modifizieren über den Luftorganismus die im Flüssigen wirkende Lebensorganisation (Ätherische Organisation). Der den gesamten Organismus durchziehende Luftorganismus wird dabei durch die einzelne Lautbildung spezifisch gestaltet. In der Luft lässt jede Lautbildung eine typische Form entstehen (1). Diese prägt die Lebensorganisation und führt damit zur physiologischen Wirksamkeit der Therapeutischen Sprachgestaltung. Für die Wirksamkeit ist demzufolge weniger der Sinn einer Lautfolge entscheidend, sondern deren spezifische Lautgestalt. Die meisten therapeutischen Übungen greifen auf das körpernahe, präverbale Silben- und Lautrepertoire zurück, aus welchem schon das Kleinkind bei den ersten Schritten zum Spracherwerb schöpft.
Neben ihrer Leibverbundenheit stehen Sprache und Sprechen mit dem seelischen Erleben in Beziehung. In den Worten lebt gleichzeitig mit der Information, ein „erfühlter“ Sinn. So klingen die Ausdrücke für ein und denselben Begriff in den verschiedenen Sprachen sehr unterschiedlich. Schließlich kommen Sprüche und Meditationstexte als geistige Inhalte zur Anwendung. Durch sie kann der Patient neue Perspektiven entwickeln und innere Kraftquellen erschließen.

Therapeutische Empfehlungen

Besonders bewährt sind Übungen mit

  • Aktivierung des Artikulationspunktes für die Konsonanten L, N, D, T oberhalb der Schneidezähne am Alveolarrand durch bewusstes Wiederholen entsprechender Silbenkombinationen.

Stimulation dieses Punktes mit der Zungenspitze führt zu Konzentration und Atemvertiefung bei gleichzeitiger emotionaler Stabilisierung.

Atemvertiefung und -rhythmisierung durch

  • Laut-Atemübungen wie W – T, Hexameter und OM sowohl aktiv als auch rezeptiv.

Tiefe und ruhige Atmung verhilft zu Wärmegefühl und Weite im Brustraum über Verstärkung des Vagotonus und über verstärkte Präsenz in der Körpermitte.

Bei nicht-bettlägerigen Patienten kann das

  • Sprechen rhythmischer Texte, begleitet mit Gehen und Gebärden , ins Hier und Jetzt führen und Vertrauen durch das Erleben der eigenen Stimme fördern.

Die Stimme als wichtige Quelle des Identitätserlebens kann so über den Körper von angstinduzierten Blockaden und Schwäche hinweg zu ihren noch vorhandenen Klangressourcen geführt werden.

Die Selbstwirksamkeit im Sprechakt lässt sich besonders gut am Wiederstand des Körpers in

  • Übungen mit den Explosivlauten B, P, D, T, G, K erleben.

Sie verhelfen ebenfalls zu verbessertem Präsenzerleben im Körper und zu klangvoller Stimme.

  • Textarbeit mit stützenden oder selbstverfassten Texten.

Eine unmittelbare Besserung wird oft auf der rhythmischen Symptomebene (Lebensorganisation) und auf der Ich-Ebene durch stützende Texte erfahren.

Die nachhaltige Transformation der oft unbewussten Aggression des Angstpatienten in Eigenaktivität und Stärke benötigt mehrere Wochen und hängt von der Vorgeschichte und Symptomstärke ab. Bei (sozialen) Phobien, Panik oder generalisierter Angststörung ist es günstig, die Selbstzentrierung durch Wort und Geste zu fördern sowie symptomzentrierte Sprach-Atemübungen einzusetzen (s.o.).

Das psychische Phänomen Angst äußert sich in den vier Wesensgliedern in typischer Weise. Therapeutische Sprachgestaltung beurteilt und gliedert die Symptome und benützt entsprechende Therapiemethoden und Mittel (2).

Literaturverzeichnis

  1. Maintier S. Sprache – die unsichtbare Schöpfung in der Luft. Forschung zur Aerodynamik der Sprachlaute. Hamburg: Verlag Dr. Kovač; 2014.
  2. von Bonin D, Gutschner P. Indikationen der Therapeutischen Sprachgestaltung. Der Merkurstab 2012;65(1):25-33.

Neues aus der Forschung

Misteltherapie in Ergänzung zur Standard-Immunbehandlung bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs weist auf verbesserte Überlebensrate hin
Die Immuntherapie mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren hat die Überlebensraten von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erheblich verbessert. Die Ergebnisse einer Studie mit realen Daten (RWD), in der die zusätzliche Gabe von Viscum album L. (VA) zur Chemotherapie untersucht wurde, haben einen Zusammenhang mit dem verbesserten Überleben von Patienten mit NSCLC gezeigt - und zwar unabhängig von Alter, Metastasierungsgrad, Leistungsstatus, Lebensstil oder onkologischer Behandlung. Zu den Mechanismen gehören möglicherweise synergistische Modulationen der Immunantwort durch PD-1/PD-L1-Inhibitoren und VA. Diese Ergebnisse weisen auf die klinische Bedeutung einer zusätzlichen VA-Therapie hin; sie besitzen jedoch naturgemäss Limitationen, da es sich um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie handelt. Die Studie ist in Cancers frei zugänglich publiziert: 
https://doi.org/10.3390/cancers16081609.

 

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin