Therapeutische Sprachgestaltung bei Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen

Barbara Ziegler-Denjean

Letzte Aktualisierung: 19.10.2018

Inappetenz

Tatsächlich berichten die meisten Patienten nach einigen Stunden bei der Therapeutischen Sprachgestaltung über eine Zunahme ihres Appetits. Das liegt an der Verwandtschaft der Prozesse Atmung (Lufthunger!), Ernährung, Sprechen und Schmecken. Durch die vertiefte Atmung werden die Verbrennungsprozesse im Stoffwechsel angeregt und das Abschmecken der Lautformen und Sprechzonen lässt manchmal buchstäblich das Wasser im Mund zusammenlaufen. Da Appetitlosigkeit oft mit dem Verlust des Lebensmutes einhergeht, gilt es über die Atmung wieder eine Bejahung des eigenen Schicksals und Daseins anzuregen.

Eine Kräftigung und Vertiefung der spontanen und unreflektierten Einatmung (Ich und Astralleib) sowie ein zügiges Verbrauchen der Atemluft beim Sprechen wird durch folgende Atemübung und deklamatorische Texte erreicht:

Atemübung

Erfüllung geht
Durch Hoffnung
Geht durch Sehnen
Durch Wollen
Wollen weht
Im Webenden
Weht im Bebenden
Webt bebend
Webend bindend
Im Finden
Findend windend
Kündend
(1, S. 16)

Die Übung „Komm kurzer kräftiger Kerl“ (1, S. 51) (mit Ball, Stampfen, Klatschen usw. unterstützen)
bringt eine gesunde Anwesenheit im Leib.

Flink und wendig gesprochene Geläufigkeitsübungen regen Durchblutung und Speichelfluss an, besonders wenn sie leicht und heiter im vorderen Mundraum gesprochen werden, z. B.:

Geläufigkeitsübung

Pfiffig pfeifen
Pfäffische Pferde
Pflegend Pflüge
Pferchend Pfirsiche
(1, S. 22),
die in vielen Variationen geübt und auch als Atemübung eingesetzt werden kann.

Sehr wirksam sind auch die Zischlaute S /Z und Sch und F/ W, da Lautbildungen, an denen die Zähne, die der Nahrungszerkleinerung dienen, beteiligt sind, eine starke psychosomatische Wirkung haben:

Ketzer petzten jetzt kläglich, letztlich leicht skeptisch.

Der Übungsweg muss behutsam den jeweiligen Kräften der Patienten angepasst werden. Dauerhafte Verbesserung bei regelmäßigem Üben nach wenigen Wochen.

Übelkeit

Das diffuse, oft stark beeinträchtigende Gefühl des Unwohlseins und die damit einhergehende Desorientierung sowohl im eigenen Körper wie auch im umgebenden Raum werden durch entsprechende, an den Raumes-Richtungen orientierten Sprachgesten neu geordnet und beruhigt. 

Übung zur Orientierung im Körper und Raum. Gut geeignet dafür ist:
Standhaft stell ich mich ins Dasein (konz. auf linkes Bein und Fuß)
Sicher schreit ich die Lebensbahn (konz. auf rechtes Bein und Fuß)
Liebe heg ich im Wesenskern (konz. auf linken Arm und Hand)
Hoffnung leg ich in alles Tun (konz. auf rechten Arm und Hand)
Vertrauen präg ich in jeglich Denken (konz. auf Kopf)
Diese Fünf führen mich ans Ziel
Diese Fünf gaben mir das Dasein (2, S. 218)

oder: „Unten die Erde – oben der Himmel, und mitten drin bin ich” (Alfred Baur).

Beide Übungen werden von entsprechenden Gesten und Schritten begleitet. Sich selbst die Hand geben verstärkt die Ich-Präsenz im Leib.

Übung zur Verstärkung der Ich-Präsenz im Leib
Das wird mit der Silbenreihe Ma Me Mi Mo Mu bei wechselseitigem Händefassen von oben nach unten geübt, wobei der Laut M das Ich-Gefühl stärkt. Die Bewegung der Hände kommt vor dem Solarplexus zur Ruhe.

So wird die Übung «Lebendige Wesen treten wesendes Leben» von Gesten begleitet, die eine horizontale Lemniskate nachbilden, die sich wiederum vor dem Sonnengeflecht (wieder von wechselseitigem ruhigen Händefassen unterstützt) kreuzt.

Meist tritt schon in der ersten Therapiestunde Erleichterung auf.

Anschließend können die 5 Worte der E-Übung: „Lebendige Wesen treten wesendes Leben” (1, S. 40) als Fünfstern gelaufen werden.

Erbrechen

Hier kann der Verdauungsprozess nicht zu Ende gebracht werden und stößt, teils eruptiv, wieder in Speiseröhre und Mundhöhle zurück. Ziel ist es, seine Organisation neu zu ergreifen und mit einer verstärkten Ausatmung die Lautformen erdwärts zu gestalten und zu entlassen: Der Sprechende „übergibt“ auf der seelisch-geistigen Ebene sein Inneres bewusst und geführt der Außenluft, so dass ein Erbrechen der Nahrung gewissermaßen überflüssig wird. Der Leitgedanke ist hier die enge Verwandtschaft zwischen Ein-/Ausatmung und Nahrungsaufnahme und Ausscheidung. Die sprachlich gestaltete und geführte Ausatmung wirkt strukturierend auf den Organismus zurück und verstärkt so die Verbindung mit ihm.

Bei Neigung zum Erbrechen wird eine Verstärkung der Ausatmung durch ein langes, erdwärts gerichtetes A geübt. Beim A tritt der Mensch seelisch vollständig aus seinem Leib heraus und kann sich neu im Atemgeschehen verankern.

Als Übung eignet sich die Silbenreihe JA-GA-KA,
welche über die Zungenwurzel und den hinteren Gaumenbereich eine Verbindung zum Stoffwechselpol herstellt. JA und GA jeweils so lange mit fließendem Atem und einer abgebenden Geste von oben nach unten sprechen, bis alle Luft verbraucht ist; KA kurz und kräftig abwechselnd von den Fersen begleitet nach unten stoßen.

Es wird eine rhythmische A-Übung angeschlossen, die zeilenweise im oberen Bereich von Armen und Händen zentripetal gegriffen, dann durch den Leib hinabgeführt und schließlich mit einem Schritt wieder auswärts gelöst wird, z. B.
„Klarer Strahl, fall ins Tal ...” (Hedwig Diestel).
Dieser Ablauf reguliert die Prozesse von Aufnahme und Ausscheidung.

Danach kann der ganze Vorgang durch den Wechsel von A (Weitung) und E (Zentrierung) gefestigt werden, z. B. durch:
Der Base Nase aß Mehl
Rasen Masse kratze kahl
(1, S. 24)

Bei Brechreiz gute Sofortwirkung. Bei akutem Erbrechen hilft, nachdem regelmäßig geübt wurde, auch das Vorstellen dieser Übungsabläufe. Es ist hilfreich, schon vor einer Chemotherapie die Übungen anzulegen und zu festigen.

Literaturverzeichnis

  1. Steiner R, Steiner-von Sivers M. Methodik und Wesen der Sprachgestaltung. GA 280. 4th ed. Dornach: Rudolf Steiner Verlag; 1983.
  2. Steiner R. Seelenübungen mit Wort- und Sinnbild-Meditationen. GA 267. 2nd ed. Dornach: Rudolf Steiner Verlag; 2001.

Neues aus der Forschung

Misteltherapie in Ergänzung zur Standard-Immunbehandlung bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs weist auf verbesserte Überlebensrate hin
Die Immuntherapie mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren hat die Überlebensraten von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erheblich verbessert. Die Ergebnisse einer Studie mit realen Daten (RWD), in der die zusätzliche Gabe von Viscum album L. (VA) zur Chemotherapie untersucht wurde, haben einen Zusammenhang mit dem verbesserten Überleben von Patienten mit NSCLC gezeigt - und zwar unabhängig von Alter, Metastasierungsgrad, Leistungsstatus, Lebensstil oder onkologischer Behandlung. Zu den Mechanismen gehören möglicherweise synergistische Modulationen der Immunantwort durch PD-1/PD-L1-Inhibitoren und VA. Diese Ergebnisse weisen auf die klinische Bedeutung einer zusätzlichen VA-Therapie hin; sie besitzen jedoch naturgemäss Limitationen, da es sich um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie handelt. Die Studie ist in Cancers frei zugänglich publiziert: 
https://doi.org/10.3390/cancers16081609.

 

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin