Obstipation in der Onkologie

Marion Debus

Letzte Aktualisierung: 03.06.2019

Bei onkologischen Patienten – meist in der Palliativsituation – bestehen oft gleichzeitig mehrere prädisponierende Faktoren für eine Obstipation: Medikamente wie Opioide, trizyklische Antidepressiva, Antiemetika (5HT3-Antagonisten), Diuretika und weitere, Immobilität sowie schlechter Ernährungs- und Flüssigkeitsstatus bei reduziertem Allgemeinzustand. 

Die gesunde Darmbewegung ist durch ein rhythmisches Eingreifen der Empfindungsorganisation (Astralleib) in die aufbauende, vom ätherischen Leib geprägte resorptive Darmtätigkeit charakterisiert. Dies bewirkt die in regelmäßigen „Wellen“ verlaufende propulsive Peristaltik der längsverlaufenden Muskelfasern, die in ihrem Ablauf in feiner Weise mit den tonischen querverlaufenden Muskelfasern koordiniert ist. Parallel dazu wird im Dünndarm die Sekretion der Verdauungssäfte angeregt. Diese Flüssigkeit wird im Dickdarm wieder resorbiert, einhergehend mit einer neben der propulsiven Peristaltik verstärkten tonischen Kontraktion der querverlaufenden Muskelfasern. 

Opiate wirken durch ein Herauslösen des Astralleibs aus einem erkrankten Organbereich schmerzlindernd. Das in der peristaltischen Bewegung atmend schwingende Verhältnis von Astralleib und Ätherleib wird dadurch jedoch gleichzeitig tiefgreifend gestört, was eine schwerwiegende Koordinationsstörung der fein abgestimmten rhythmischen Muskelkontraktionen sowie eine Verminderung der Drüsensekretion im Verdauungstrakt zur Folge hat. Dies geschieht durch die Blockade der peripheren µ-Opiatrezeptoren im Verdauungstrakt.

Im Magenbereich kommt es in der Folge zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur mit Gastroparese und verzögerter Magenentleerung mit Sodbrennen und Übelkeit. Die dynamische propulsive Peristaltik der längsverlaufenden Muskelfasern im Dünn- und Dickdarm ist vermindert im Sinne eines sog. „Slow-Transit“ (schlaffe Obstipation).

Die tonische Kontraktion der querverlaufenden Muskelfasern hingegen kann sich verstärken. Dadurch erhöht sich der segmentale Muskeltonus im Kolon mit einer Verstärkung der Haustrierung, begleitet von nonpropulsiven Kontraktionen bis hin zu kolikartigen Krämpfen. Es kommt zu vermehrter Rückresorption von Wasser aus dem Stuhl mit der Folge einer trockenen und harten Stuhlkonsistenz. Eine Tonuserhöhung des analen Sphinkters bedingt eine zusätzliche Outlet-Obstruktion (spastische Obstipation).

Die opiatinduzierte Obstipation ist einerseits durch ein zu schwaches dynamisches Eingreifen des Astralleibs im Bereich der propulsiven Längsmuskulatur gekennzeichnet, mit der Folge von Gastroparese und Verlangsamung des Stuhltransits. Andererseits greift der Astralleib – gewissermaßen kompensatorisch – im Bereich der querverlaufenden Muskelfasern zu stark ein mit Erhöhung des Muskeltonus bis hin zu einem „Erwachen“ in schmerzhaften kolikartigen Bauchkrämpfen. Die feine Abstimmung und Koordination der Bewegungen zwischen propulsiver Längsmuskulatur und tonischen querverlaufenden Muskelfasern ist eine Tätigkeit der Ich-Organisation, die unter einer Opiatbehandlung ebenfalls nicht richtig wirksam werden kann. 

Therapeutisches Ziel

Therapeutisch ist anzustreben, Astralleib und Ich-Organisation im rhythmischen Wechsel von Eingreifen und Lösen wieder gut im Gastrointestinaltrakt zu verankern. Dies geschieht durch wärmende, anregende, aber auch lösende therapeutische Interventionen. 

Allgemeinmaßnahmen wie rhythmische Nahrungsaufnahme, genügend Flüssigkeitszufuhr und körperliche Bewegung sind hier ganz wesentlich, wobei gerade Letzteres bei vielen schwer kranken Patienten oft nur eingeschränkt möglich ist. Auch die gerne angeführte ballaststoffreiche Ernährung ist bei opiatinduzierter Obstipation nicht hilfreich, da sie durch eine Vergrößerung des Stuhlvolumens, das jedoch den peristaltischen Reflex nicht ausreichend anstoßen kann, die Beschwerden sogar verstärken kann.

Neues aus der Forschung

Misteltherapie in Ergänzung zur Standard-Immunbehandlung bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs weist auf verbesserte Überlebensrate hin
Die Immuntherapie mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren hat die Überlebensraten von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erheblich verbessert. Die Ergebnisse einer Studie mit realen Daten (RWD), in der die zusätzliche Gabe von Viscum album L. (VA) zur Chemotherapie untersucht wurde, haben einen Zusammenhang mit dem verbesserten Überleben von Patienten mit NSCLC gezeigt - und zwar unabhängig von Alter, Metastasierungsgrad, Leistungsstatus, Lebensstil oder onkologischer Behandlung. Zu den Mechanismen gehören möglicherweise synergistische Modulationen der Immunantwort durch PD-1/PD-L1-Inhibitoren und VA. Diese Ergebnisse weisen auf die klinische Bedeutung einer zusätzlichen VA-Therapie hin; sie besitzen jedoch naturgemäss Limitationen, da es sich um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie handelt. Die Studie ist in Cancers frei zugänglich publiziert: 
https://doi.org/10.3390/cancers16081609.

 

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