Musiktherapie in der Schwangerschaft

Viola Heda

Letzte Aktualisierung: 28.04.2022

Die anthroposophische Musiktherapie für Schwangere ist ein Teilbereich der anthroposophischen künstlerischen Therapien und wird stationär und ambulant durchgeführt. Der Mensch wird in der Anthroposophie als körperlich, seelisches und geistiges Wesen wahrgenommen und die musikalischen Elemente orientieren sich in der Therapie an diesem ganzheitlichen Blick. Auch erlebt der Mensch mit der Musik, nach Rudolf Steiner, das Hereintönen der geistigen Welt (1); so kann die Musik als ein Bindeglied zwischen Kosmos und Erde beschrieben werden.

Musiktherapie findet vor allem am Anfang oder gegen Ende einer Schwangerschaft statt, da Komplikationen vermehrt in diesen Zeiträumen auftreten, wie beispielsweise Hyperemesis gravidarum, Blutungen, Zervixinsuffizienz oder vorzeitige Wehen.
Im musiktherapeutischen Setting werden schwangere Frauen mit unterschiedlichen Methoden begleitet. Beim Hören von Musik kann die werdende Mutter ins Lauschen und in die Stille kommen. Durch das konkrete Spüren der Musik werden sowohl Lebensprozesse angeregt, als auch das Verbundensein und Wohlempfinden mit dem eigenen Körper verbessert. Auch das aktive schöpferische Gestalten der Musik ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie.

Der Beginn der Schwangerschaft

Zu Beginn ihrer Schwangerschaft befinden sich die Frauen in einer Lebenssituation umfassender Veränderung. Die Hormone verändern sich, sodass der Körper sich an die neuen Aufgaben anpassen kann, aber sie sorgen auch für psychische Unruhe. Bei vielen werdenden Müttern muss die äußere Lebenssituation angepasst und umgestaltet werden. In solch einer sensiblen Phase kann der Krankenhausaufenthalt eine zusätzliche Belastung bedeuten. Hier benötigen die werdenden Mütter Hülle, Geborgenheit, Sicherheit, Vertrauen und vor allem das Gefühl, verstanden zu werden.

Hyperemesis gravidarum, der Schwangerschaftsübelkeit mit Erbrechen, ist ein häufiges Symptom zu Beginn, ebenso wie plötzlich eintretende Blutungen. In der Folge wächst die Angst der Schwangeren, ihr Kind zu verlieren, sie fühlen sich unwohl und verunsichert. Für viele ist das ein mehrwöchiger Zustand von Stress und/oder Erschöpfung.
Die Musiktherapie kann hier die werdende Mutter körperlich, seelisch und geistig begleiten. Physische Entspannung, psychische Entlastung und geistige Nahrung durch Musik und Gespräche kann den Frauen helfen, diese Situation zu meistern. Patientinnen beschreiben hier die Musik als einen Weg heraus aus ihrem Gedankenkarussell. Andere beschreiben den Klang als etwas, das sie wieder zu sich führt und ihnen Vertrauen schenkt, mit Mut den neuen Weg zu gehen, auch wenn der Umwandlungsprozess zu Beginn schwer erscheint.

Das Ende der Schwangerschaft

Gegen Ende der Schwangerschaft entstehen beispielsweise Risiken für eine Frühgeburt durch vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz oder Stoffwechselstörungen. So kommen Frauen oft in die Situation, wochenlang im Bett liegen zu müssen, um eine eventuelle Frühgeburt ihres Kindes zu verhindern. Dies fällt vielen Frauen schwer. Auch hier ist die werdende Mutter von Sorgen und Ängsten belastet. Jeder Tag kann als Hürde erlebt werden. Manchmal kommt den Frauen sogar das Gefühl abhanden, mit ihrem werdenden Kind verbunden zu sein.

Ziele der Musiktherapie sind hier die körperliche und seelische Entspannung der werdenden Mutter, die Verbesserung der eigenen Körperwahrnehmung und die Stärkung der Bindung zwischen Mutter und Kind. Neuere Forschungen haben ergeben, dass der Fötus schon ab der 16. Schwangerschaftswoche Geräusche und Klänge der Außenwelt wahrnehmen kann (2). Die positive Wirkung der Musik auf das ungeborene Kind kann durch Kardiotokografie oder Herztonwehenschreiber – sogenannte CTG-Messungen – festgestellt werden. 

Mütter berichten des Öfteren, dass sie eine Reaktion bei ihrem Kind auf angenehme äußere Reize wie Musik, die Stimme der Mutter oder des Vaters erleben. Weitere Patientinnen berichten, dass die Musik ihnen Hülle bietet, sie sich während der Musik sehr mit ihrem Kind verbunden fühlen oder ihr körperliches Wohlgefühl gesteigert wurde.

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Herangehensweisen der Musiktherapie konkreter  beschrieben.

Rezeptive Musiktherapie

Ein wichtiger Teil der Musiktherapie in der Frauenheilkunde ist die rezeptive Therapie. Das heißt, die Patientin ist nicht selbst aktiv sondern lauscht äußerlich passiv der Musik. Der Hörprozess wird ganz in den Vordergrund gestellt. Ruhe, Stille und ungeteilte Aufmerksamkeit können entstehen. Ist nun das angstbehaftete Gedankenkreisen aufgrund des Lauschens stiller geworden, lösen sich auch allmählich Anspannungen und das Unwohlsein. Die Patientin kann sich wieder freier fühlen und das große Heiligtum in ihrem Körper erleben.

Eine andere Möglichkeit ist die Phantasiereise mit Klängen. Die starke körperliche Gebundenheit wird durch den Klang gelöst, sodass seelisch-geistig-bildhaftes Erleben wieder besser möglich wird. Es entstehen innere Freiräume, die es der Patientin ermöglichen, den Alltag leichter zu bewältigen.

Bei den Schwangeren werden in der rezeptiven anthroposophischen Musiktherapie bevorzugt Instrumente genutzt, die leise fließend tönend sind und dem sogenannten Rhythmischen System zugeordnet werden, wie beispielsweise die Leier. Dieses Instrument harmonisiert Herz-Kreislaufprozesse und wirkt atemregulierend.

Abb. 1: Tenor-Leier © Viola Heda

Ziele der rezeptiven Musiktherapie sind:

  • Entspannung
  • Ruhe und Gelassenheit
  • Lauschen können
  • Lösung von kreisenden Gedanken
  • Vertrauen

Resonanztherapie

Am Ende der Schwangerschaft spielt die Resonanztherapie eine wichtige Rolle. Sie ist ein musiktherapeutisches Mittel, bei dem die Patientinnen die Musik einerseits hören und gleichzeitig ihre Schwingung spüren können.

In der anthroposophischen Musiktherapie sind diesbezüglich mit Monochorden, Tao-Leiern oder Bordunleiern positive Erfahrungen gemacht worden. Die Instrumente werden an unterschiedlichen Körperteilen aufgelegt und in ruhigem fließendem Rhythmus gespielt und je nach Bedarf mit der Stimme unterstützt.

Da Frauen in der Schwangerschaft eine deutlich erhöhte Blutmenge haben, die durch ihren Körper fließt, sie mit Hormonveränderungen und Gewichtszunahme umgehen müssen, wirken sich lange Liegezeiten oft negativ auf die Stoffwechselprozesse aus. Die Schwingungen, die direkt auf den Körper übertragen werden, können Stoffwechselprozesse anregen und ein positives Körpergefühl vermitteln.

Abb. 2: Tao-Leier © Viola Heda

Ziele der Resonanztherapie sind:

  • Lösen von physischer und seelischer Anspannung
  • Krampflösende und muskelentspannende Wirkung
  • Anregung der vegetativen Stoffwechselprozesse
  • Regulierung des Atmungsprozesses
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung

Aktive Musiktherapie

Bei der aktiven Musiktherapie spielt die Patientin selbst. Die werdende Mutter kann so selbst gestaltend tätig sein und in musikalischen Kontakt mit sich und ihrem Kind treten. Durch dieses selbstschöpferische kreative Gestalten der Musik kann den Müttern vermittelt werden, in was für einer besonderen Lebenslage sie sich befinden, in der auch geistig-schöpferische Kräfte am Werk sind, die neues Leben schaffen. So können die Frauen dazu angeregt werden, sich wieder dem Wesentlichen zu widmen, Vertrauen zu finden und von ihren Ängsten und Sorgen Abstand zu gewinnen. Ebenso kann durch das kreative Tun der Fokus weg von sorgenden und hin zu zuversichtlichen Gedanken und Gefühlen gelenkt werden.

Bei den Instrumenten sollten kleine, einfach spielbare Instrumente gewählt werden, die im gemeinsamen Spiel zu einem harmonischen Zusammenklang führen. Hierfür sind beispielsweise die Sansula oder die Bordunleier passend. Die Kinderharfe oder die Feenleier eignen sich, um für das noch ungeborene Kind zu spielen. Dies kann dann auch fortgeführt werden, wenn das Kind geboren ist.
Siehe auch den Beitrag „Singen und Musizieren für Kleinkinder“ unter https://www.anthromedics.org/PRA-0905-DE .

Abb. 3: Bordunleier © Viola Heda

Ziele der aktiven Musiktherapie sind:

  • Lösung von sorgenden Gedanken und Gefühlen
  • Stärkung der Bindung
  • Vertrauen und Zuversicht schaffen in dieser Lebenssituation
  • Selbstwirksamkeit und schöpferische Prozesse anregen

Literaturverzeichnis

Neues aus der Forschung

Misteltherapie in Ergänzung zur Standard-Immunbehandlung bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs weist auf verbesserte Überlebensrate hin
Die Immuntherapie mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren hat die Überlebensraten von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erheblich verbessert. Die Ergebnisse einer Studie mit realen Daten (RWD), in der die zusätzliche Gabe von Viscum album L. (VA) zur Chemotherapie untersucht wurde, haben einen Zusammenhang mit dem verbesserten Überleben von Patienten mit NSCLC gezeigt - und zwar unabhängig von Alter, Metastasierungsgrad, Leistungsstatus, Lebensstil oder onkologischer Behandlung. Zu den Mechanismen gehören möglicherweise synergistische Modulationen der Immunantwort durch PD-1/PD-L1-Inhibitoren und VA. Diese Ergebnisse weisen auf die klinische Bedeutung einer zusätzlichen VA-Therapie hin; sie besitzen jedoch naturgemäss Limitationen, da es sich um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie handelt. Die Studie ist in Cancers frei zugänglich publiziert: 
https://doi.org/10.3390/cancers16081609.

 

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