Maltherapie bei Angst in der Palliativmedizin

Dagmar Brauer

Letzte Aktualisierung: 27.08.2018

Die Maltherapie wirkt durch den Prozess des Malens, durch die Farben und Farbklänge sowie die Motivgestaltungen. Ihre Anwendung wird in der multimodalen Angsttherapie empfohlen: Im Bild werden krankheitsspezifische Erfahrungen und das innere seelische Erleben nach „außen“ geführt, sichtbar und dadurch auch bearbeitbar. Die Patienten fühlen sich nach der Maltherapie erleichtert, beruhigt und können neue Perspektiven sehen. Manchmal zeigt sich die Angst unbewusst und steigt erst während des Malens auf. Dadurch wird sie in das Bewusstsein gehoben und der weiteren Bearbeitung zugänglich. Körperlich wird eine Entspannung erreicht, seelisch kann sich die Angst durch den künstlerich-therapeutischen Prozess vermindern und es können auf der geistigen Ebene neue „Bilder“ für Sinnfindung, Perspektive und Entwicklung entstehen.

Maltherapie bei Angst in der Palliativmedizin

Das kunsttherapeutische Angebot für Menschen in einer palliativmedizinischen Situation ist zunächst ein Beziehungsangebot. Es setzt voraus, dass der Therapeut mitempfindet, was es bedeutet: Angst vor dem Verlust der Selbständigkeit, vor körperlichem Leiden, Angst vor dem Sterben. Angst kann den Patienten seelisch lähmen, aber auch wütend machen oder diese Zustände wechselnd erlebbar werden lassen. Daher steht im Mittelpunkt der künstlerischen Therapie das Ziel, dem Patienten das größtmögliche Maß an Lebensqualität zu entwickeln, ihn in der Auseinandersetzung mit der Angst zu unterstützen und neue, geistige Perspektiven und Sinnsetzungen zu ermöglichen. Dabei sind leibliche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte zu berücksichtigen (1, 2).

Maltherapie wird als ein beruhigendes, begleitendes, immer wieder neu mit dem Patienten abgestimmtes aktives oder rezipierendes Tun ausgeführt. Dies kann so vorbereitet werden, dass der Patient beim Malen im Krankenbett verbleiben kann. Insofern der palliative Patient nach einer rezipierenden oder betrachtenden Form der Maltherapie fragt, kann eine Bildmeditation angeboten werden (3).

Maltherapie in der Palliativmedizin gewinnt zunehmend an Bedeutung, stellt jedoch auch ein Wagnis dar. Insofern ist ein sehr genaues Wahrnehmen der Patienten, des Rahmens und der sich anbietenden Möglichkeiten wichtig und künstlerische Mittel sind sehr bedacht und gezielt einzusetzen. Anthroposophische Therapeuten begleiten die Entstehung von „letzten Bildern“ verantwortungsbewusst, da sie sich dem Kranken besonders einprägen (4). 

Therapeutische Empfehlungen

Angst mit Anspannung, seelischer Verkrampfung

  • Hier kann die seelisch entkrampfende Nass in Nass-Technik eingesetzt werden, um ein Empfinden des Lösens zu bewirken. 
  • Dies kann durch die Verwendung von Pflanzenfarben gefördert werden, wie im Besonderen die hüllenden und Sicherheit vermittelnden Blau- und Violetttöne ebenso eingesetzt werden wie das Goldgelb und die warmen Farben.
  • Einfache Motive, die das Licht in allen seinen Erscheinungsformen in das Bildzentrum rücken, geben Perspektive und wecken innere Kräfte in der Auseinandersetzung mit der Erkrankung.
  • Auch entsprechende Farbmeditationen können hier angeboten werden.

Angst vor dem «Verlust der Mitte»

Die motivische Arbeit – z. B. mit Bildern aus der Weisheit der Märchen, die dem Patienten oft seit seiner Kindheit bekannt sind –, kann geistige Perspektiven schaffen und auch bei einer Angst vor dem Verlust der Mitte helfen.

Angst mit depressiver Stimmungslage und Mutlosigkeit

Wird die Angst als innere Finsternis erlebt, so bestehen positive Erfahrungen mit dem Ermalen

  • einfacher Bildreihen «Von der Dunkelheit ins Licht»,
  • einfacher Motive zum Thema «Mein sicherer Ort»,
  • einfacher, dynamischer Fantasien in warmen Farben.

Angst mit seelischer Unruhe

Bei unruhevoller Angst werden das geometrisierende Malen und Zeichnen angewandt. Durch diese Malverfahren werden Struktur- und Formkräfte angeregt, die sich der unruhevollen Angst entgegenstellen können. Durch gegenständliches Zeichnen wird darüber hinaus die Sinneswahrnehmung unterstützt, die den Patienten aus der inneren Gefangenheit in der angstbesetzten Seele befreit und zur Beobachtung der Natur und Umwelt leitet.

Selbstverständlich wird auch der eigenständige malerische Ausdruck des Patienten stets aufgegriffen und in die weitere Therapie miteinbezogen (5).

Literaturverzeichnis

  1. Gruber H, Reichelt S (Hg.). Kunsttherapie in der Palliativmedizin. EB Verlag Dr. Brandt, Berlin 2016
  2. Kortum R, Koch S, Gruber H. Kunsttherapie in der Palliativversorgung. Ein narratives Review. Teil I: Forschungsstand. Zeitschrift für Komplementärmedizin 2017; 09(06):52-60.[Crossref]
  3. Vgl. Brauer D. Das „Irische Kreuz“ von Margarethe Hauschka — eine Bildmeditation. In: Glöckler, Michaela (Hrsg.). Meditation in der Anthroposophischen Medizin. Salumed Verlag, Berlin 2016.
  4. Gutknecht K. Das letzte Bild. Der Merkurstab, 1997; 50(6):351-354.
  5. Brauer D, Asmussen A, Müller U, Gonsior E: Anthroposophische Maltherapie in der Onkologie. Der Merkurstab 2009;62(4):373-377.

Neues aus der Forschung

Fallserie: Topische Anwendung von Viscum Album-Extrakt bei Keratinozyten-Karzinomen zeigt Remissionen 
In einer retrospektiven Fallserie wurden die Sicherheit und klinischen Auswirkungen einer topischen Anwendung von 10%igem lipophilen Viscum Album-Extrakt (VALE) bei einzelnen Fällen von kutanem Plattenepithelkarzinom (kPEK), Basalzellkarzinom (BCC) und aktinischer Keratose untersucht. Die Studienpopulation bestand aus 55 Patienten mit 74 Hautläsionen. Risikofaktoren, Begleittherapien und -erkrankungen, unerwünschte Nebenwirkungen des VALE sowie weitere relevante Informationen wurden dokumentiert. Im Ergebnis betrug die klinische Ansprechrate 78% für kPEK, 70% für BCC und 71% für AK. Die Komplettremissionsraten lagen für einzelne Läsionen bei 56% für kPEK, 35% für BCC und 15% für AK. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass VALE ein sicheres und verträgliches Extrakt ist, bei dessen Anwendung vollständige und partielle Remissionen der Keratinozytenkarzinome beobachtet werden konnten. Der Artikel ist in Complementary Medicine Research veröffentlicht: 
https://doi.org/10.1159/000537979.

 

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