Dyspnoe in der Palliativmedizin

Achim Rieger, Ute Fischer-Kramps

Letzte Aktualisierung: 11.09.2018

Dyspnoe oder Luftnot stellt ein gravierendes Symptom in der Palliativmedizin dar. Sie ist ein zutiefst subjektives Empfinden, das ähnlich wie Schmerz mit einer bedeutenden Einschränkung der Lebensqualität einhergeht. Sie kann mit der Erfahrung existenzieller Bedrohung einhergehen und mit der Angst vor dem Tod verbunden sein. Luftnot ist nicht messbar oder quantifizierbar und darf nicht verwechselt werden mit objektivierbaren Parametern wie z. B. der pulsoxymetrisch gemessenen Hypoxie.

Luftnot ist ein häufiges Symptom der Terminal- und Finalphase und betrifft mehr als 50 % der Palliativpatienten. Sie hat bedeutende Auswirkungen auf das Empfinden des den Patienten versorgenden Umfeldes. Luftnot überträgt sich leicht auf die zugehörigen Menschen in der nächsten Umgebung und kann auch hier ein Gefühl der Bedrohung und der Angst auslösen. Sie verursacht in besonderem Maße Gefühle von Hilflosigkeit bei den Helfern.

Luftnot wird neben der psychosozialen Überforderung der Angehörigen als häufigster Grund für eine stationäre Einweisung am Lebensende genannt (1).

Wesensgliederwirksamkeit bei Dyspnoe

Bei der Dyspnoe kommt es zu Veränderungen der Wesensgliederwirksamkeit des Patienten. Physische Ursachen der Dyspnoe sind
bei Tumorpatienten: Lungenmetastasen oder -tumoren, tumorbedingte obere Einflussstauung, Pleurakarzinose, Lymphangiosis carcinomatosa, Pleuraerguss, Perikarderguss, (rezidivierende) Lungenembolien, allgemeine körperliche Schwäche, Anämie, Pneumonie, Aszites etc.
bei Nicht-Tumorpatienten: bronchiale Obstruktion bei COPD, pulmonale Stauung bei terminaler Herzinsuffizienz, Dyskrinie, z. B. bei Mukoviszidose, Insuffizienz der Atemmuskulatur bei amyotropher Lateralsklerose etc.

Die Lebensorganisation ist infolge von Hypoxie und Hyperkapnie dem „Ersticken“ nahe und in ihrer regenerativ aufbauenden Wirksamkeit eingeschränkt. Die Dyspnoe selbst weist auf die Empfindungs- oder astralische Organisation des Patienten: Dyspnoe ist eine Empfindung, die oft mit Veränderungen der Atmung (Tachypnoe, verlängertes Exspirium) und Tachykardie verbunden ist. Die gesteigerte seelische Anspannung drückt sich in der Aktivierung des autonomen Nervensystems aus und führt zu einer mit Unruhe einhergehenden Sympathikotonie. Das Symptom Luftnot tritt fast nie isoliert auf, sondern ist nahezu immer mit einem anderen Kardinalsymptom in der Palliativmedizin verbunden: der Angst. Die Empfindungsorganisation (astralische Organisation) ist Träger der Seele des Menschen. Entsprechend können die in der astralischen Organisation erfahrene Luftnot und die seelisch erlebte Angst eine so enge Verbindung eingehen, dass ihre Ursachen nicht mehr voneinander zu trennen sind. Angst vor dem Ersticken berührt eine menschliche Urangst und steht symbolhaft für einen qualvollen Tod. Phantasien vom Ertrinken gehen oft damit einher. Damit wird die existenzielle Bedrohung durch die Dyspnoe deutlich: Der Patient erlebt sich als Persönlichkeit, als Ich gefährdet und bedroht.

Therapeutische Gesichtspunkte

Luftnot kann verschiedene Ausprägungsgrade zeigen und vom Patienten unterschiedlich bewertet werden. Manche Patienten sind über viele Jahre an Luftnot gewöhnt und nicht dadurch beunruhigt, dass nach geringer körperlicher Belastung ein Luftmangel auftritt, andere wiederum empfinden bereits diese Einschränkung als bedrohlich, wenn sie noch kurze Zeit zuvor eine gute körperliche Belastbarkeit besessen haben.

Für den Therapeuten und Palliativmediziner ist es wichtig, die Bedrohlichkeit für den Patienten zu erkennen und zu verstehen und sich seiner eigenen subjektiven Bewertung zu enthalten.

Luftnot darf nicht bagatellisiert werden und sollte unmittelbar behandelt und gelindert werden! Ihre Behandlung orientiert sich an den ursächlich zugrundeliegenden Krankheitsprozessen und besteht in einem multimodalen Therapiekonzept. Es orientiert sich an den unterschiedlichen Dimensionen der Dyspnoe und umschließt neben der medikamentösen Therapie die Äußeren Anwendungen, Rhythmische Massage, Heileurythmie, Kunsttherapie und die gesprächstherapeutische Unterstützung des Patienten.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

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