Pflegeonkologische Maßnahmen zur Linderung der Cancer related Fatigue

Rolf Heine, Romy Stolzke, Doris Rapp, Kristina Reichel

Letzte Aktualisierung: 30.04.2020

Die Pflegetherapien bei Cancer related Fatigue richten sich nach den Beschwerden und Symptomen.

Diese sind einerseits Ausdruck der onkologischen Erkrankung, beispielweise körperliche Schwäche durch Gewichtsverlust, sie können aber auch Begleiterscheinungen onkologischer Therapien sein. Nicht zuletzt können Symptome und Beschwerden der Cancer related Fatigue Ausdruck des seelisch-geistigen Verhältnisses sein, das der Patient zu seiner Krankheit, zu sich selbst und zu seiner Umwelt aufbaut. Dies äußert sich zum Beispiel in Rückzug, Erschöpfung oder Depression.

Patienten mit kühlen Extremitäten

Kühle Extremitäten bei Zimmertemperatur sind Ausdruck einer mangelnden peripheren Durchblutung, oft verbunden mit mangelnder körperlicher Bewegung. Auch Angst oder Ernährungsstörungen können die Ursache sein. In jedem Fall bedeuten sie einen Rückzug der Ich-Organisation. Dieser wirken wir mit der lokalen Anwendung wärmestimulierende Substanzen entgegen.

  • Fußbäder mit Rosmarin Aktivierungsbad WELEDA regt die periphere Zirkulation an, durchwärmt.
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/rosmarinbad_fussbad.php

  • Einreibung von Händen, Armen, Beinen, Füßen mit Rosmarinöl WALA, WELEDA, DR. HEBERER.
    Bevorzugt morgens und mittags anzuwenden.

  • Einreibung mit Kupfer Salbe rot WALA oder Cuprum metallicum praeparatum 0,4 % WELEDA.  
    Bevorzugt abends anzuwenden.

  • Fußbad mit Ingwerpulver bewirkt eine langanhaltende, tiefe Durchwärmung.
    Morgens anzuwenden, spätestens mittags. 
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/ingwerfussbad.php

  • Fußbad mit Senfmehl regt Stoffwechselprozesse durch einen schnellen Wärmereiz an.
    Senfmehl kann morgens, mittags, in manchen Fällen auch abends angewendet werden.
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/senf.php

Patienten führen diese Anwendungen nach einer motivierenden Einführung selbst durch. Schon die regelmäßige Achtsamkeit auf Hände und Füße hat eine wärmestimulierende Kraft. Die Patienten nehmen sich besser wahr und übernehmen Verantwortung.

CAVE: Am Tag von Zytostatikagaben sollten bei den folgenden Medikamentengruppen keine Wärmeanwendungen erfolgen, da bei diesen eine fördernde Wirkung der Polyneuropathie beforscht und zum Teil nachgewiesen wurde: Taxanen (Paclitaxel, Docetaxel), Vincaalkaloide, Platinderivate (1). Für Oxaliplatin konnte jedoch eine positive Wirkung von Wärmeanwendungen in einer chinesischen Studie nachgewiesen werden (2).

Der ausgekühlte, “hüllenlose” Patient (z. B. unter oder nach Chemotherapie)

Erschöpfte oder unter Schmerzen leidende Menschen können nicht in der gleichen Weise wie oben beschrieben auf wärmestimulierende Substanzen reagieren, bzw. sie an sich selbst durchführen. Jetzt entlasten wir durch Übernahme und einhüllende, wärmebewahrende Anwendungen.

  • Rhythmische Einreibung der Extremitäten oder Ganzkörpereinreibung mit Solum Öl WALA .
    Durch die Komposition von Moorextrakt, Kastanie, Schachtelhalm und Lavendel hat das Öl vor allem hüllende und wärmende Eigenschaften (“als würde ein Mantel umgelegt”).

Patient mit ausgeprägtem Schwäche- und Schweregefühl in den Extremitäten

So wie kalte Extremitäten Ausdruck eines geschwächten Wärmeorganismus sind, so sind Schwere und Schwäche Ausdruck für einen träge gewordenen Flüssigkeitsorganismus. Stauungen und Ödeme in den Gliedmaßen oder Anasarka zeigen, wie die Körperflüssigkeiten nicht mehr im Fluss und in der Leichte gehalten werden können, sondern der Schwerkraft folgen. Substanzen mit Bezug zu Licht und Wasser, wie die frühlingsblühende Schlehe oder die Citrusfrüchte, aber auch morgendliches Tautreten oder Kneipp‘sche Güsse kräftigen den Flüssigkeitsorganismus.

  • Rhythmische Einreibung der Extremitäten mit Schlehenblüten Pflegeöl WALA.
    Wirkt nährend, aufbauend; stärkt die Lebensorganisation. Morgens und abends.

  • Fußbad mit Citrus Erfrischungsbad WELEDA.
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/zfb.php

  • Oder rhythmische Einreibung mit Citrus Erfrischungs-Öl WELEDA oder Citrus Öl WALA.  
    Zitrone wirkt anregend, belebend und tonisierend. Nicht bei kalten Füßen anwenden. Eher morgens oder mittags anzuwenden.

Patienten mit ,,kühlen Ödemen, Anasarka‘‘ bei geschwächter Lebensorganisation

Manche Ödeme, wie z.B. Lymphödeme nach Bestrahlungen oder Lymphknotenentfernungen sind Folgen von Vernarbungen und damit von physischen Blockaden. Eine Belebung dieser Gewebe ist schwer. Die folgenden Anwendungen können vorübergehende Linderung bringen.

  • Weißkohlauflagen wirken belebend und entstauend.
    Durchführungsanleitung siehe: https://www.pflege-vademecum.de/weisskohlauflage.php

  • Rhythmische Einreibung mit Oliven-Wacholder-Öl 5% DR. HEBERER .
    Wacholder wirkt organisierend und strukturierend auf den Flüssigkeitshaushalt, hat eine ordnende Wirksamkeit bei festen, kühlen Ödemen und reintegriert die Flüssigkeit aus dem Gewebe in das Gefäßsystem.

Patient mit kühlen Nierenlagern, seelisch-affektiv verkrampft/kühl

Müdigkeit ist Ausdruck dafür, dass sich der wache seelisch-geistige Wesensteil des Menschen vom Leibe lösen möchte. Dieser Rückzugstendenz kann man, wenn sie nicht in einer Erschöpfung der Tageskräfte ihre Ursache hat, durch eine Anregung der Empfindungsorganisation (Astralleib)  entgegenwirken. Das Organ, über das nach anthroposophischem Verständnis die astrale Organisation tätig ist, ist die Niere.

  • Anwendung von Ingwer Nierenwickel .
    Morgens, spätestens mittags anwenden. Hat eine seelisch zentrierende und von innen heraus durchwärmende Wirksamkeit.
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/ingwer-nierenkataplasma.php

  • Anwendung von Equisetum-Nierenwickel.
    Schachtelhalm unterstützt die Niere bei der Ausscheidung.
    Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/equisetum-nierenwickel.php

  • Anwendung von Kupfer Salbe rot WALA als Niereneinreibung

  • oder Auflage mit Kupfer Massageöl LICHTERDE

  • oder Kupfer Salbe rot WALA auf die Nierenregion.
    Kupfer wirkt entkrampfend, entspannend und durchwärmend. Morgens wie abends anwendbar.

Patienten mit Inappetenz und dadurch entstehender Schwäche sowie fehlendem Rhythmusgefühl

Der Rückzug der Astralen Organisation aus dem Stoffwechsel-System führt zu Inappetenz, Obstipation und Flatulenz. Deshalb ist die Behandlung der Cancer Fatigue tatsächlich auch über eine Anregung der Verdauungstätigkeit geboten. Im Übrigen haben feucht-warme Leibwickel, nach der Hauptmahlzeit angelegt, eine rhythmisierende und aufbauende Wirkung auf den gesamten Organismus.

  • Schafgarbenwickel auf die Leberregion (Schafgarbentee)

  • oder Auflage mit Schafgarbenöl.  

Anwendung mittags, nach dem Essen. Für die Unterstützung des Schlafrhythmus kann der Wickel auch gerne abends zum Einschlafen angewendet werden.

Stärkt die Stoffwechselprozesse der Leber, unterstützt bei der Umwandlung und Entgiftung der zytostatischen Stoffe. Hat wärmende, stoffwechselanregende Eigenschaften.
Durchführungsanleitung siehe http://www.pflege-vademecum.de/schafgarben_leberwickel.php

Patienten mit Schlafstörungen

Patienten mit Cancer related Fatigue sehnen sich nach Ruhe und Schlaf. Gelingt es einzuschlafen, wird die Schlafqualität oft nicht als erquicklich erlebt. Wir können 4 Formen der Schlafstörungen unterscheiden:

1. Einschlafstörungen: Sie sind meist bedingt durch innere Unruhe, Ängste und Sorgen. Das seelisch-geistige Wesen kann die Sinneswelt nicht loslassen.

  • Herzsalbenauflage zur Nacht mit Aurum/Lavandula comp. Salbe WELEDA
    Durchführungsanleitung siehe https://www.pflege-vademecum.de/aurum-lavandula-herzauflage.php

  • Rhythmische Fußeinreibung mit Lavendelöl WALA, ggfs. mit Kupfersalbe rot WALA bei kalten Füßen

  • Entspannungsbad mit Lavendel WELEDA oder Moor Lavendel Bad DR. HAUSCHKA

  • Melissentee trinken , 1 Tasse vor dem Schlafengehen

  • Immer für warme Füße sorgen (Wollsocken)

2. Durchschlafstörungen: Oft Folge von nächtlichen Störungen durch Schmerzen oder ungenügende Bewegung am Tag. Tag- und Nachtrhythmuspflege mit:

  • Rosmarinöl-Fußbad am Morgen , anregend, weckend

  • Lavendelöl-Fußbad am Abend, beruhigend, entspannend

  • Schafgarbe-Leberauflage

3. Aufwachstörungen: Viele Menschen brauchen lange, oft mehrere Stunden, bis sie den Übergang vom Schlafen zum Wachen vollzogen haben. Diese Zeit wird oft als quälend erlebt.

  • Rosmarin-Fußbad am Morgen

  • Rosmarin-Abwaschungen am Morgen

4. Schlechte Schlafqualität: Selbst bei ausreichender Schlafdauer kann der Schlaf als nicht erquicklich empfunden werden. Dies liegt einerseits an Durchschlafstörungen, andererseits an einer mangelnden Schlafhygiene – wie z. B. fehlender Tagesrückblick, Geräuschquellen in der Umgebung, laufender Fernseher, zu warmes Schlafzimmer etc.  

  • Tagesrückschau am Abend, Tagesvorschau am Morgen

  • Für ruhige, kühle, geschützte Schlafumgebung sorgen.

Literaturempfehlungen

Schier J. Anthroposophische Pflege in der Onkologie. In: Heine R (Hrsg.) Anthroposophische Pflegepraxis. 3. Aufl. Berlin: Salumed Verlag; 2015.

Kröz M, Zerm R, Brauer D, Debus M, Quetz M, Gutenbrunner C, Girke M. Das Cancer-Fatigue-Syndrom – Pathophysiologisches Verständnis und Therapie. Der Merkurstab 2009;62(4):326-329.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin