Ein sanfter Weg ins Erdenleben: Pflanzliche Heilmittel in der Schwangerschaft

Angelika Maaser, Carmen Eppel

Letzte Aktualisierung: 17.06.2019

Die ersten neun Monate des Lebens, die das Kind geschützt im Bauch der Mutter und mit dieser leiblich und seelisch symbiotisch verbunden verbringt, sind auch für die Frau eine ganz besondere Zeit eines vorher nicht gekannten Zustandes. Die leiblichen und seelischen Veränderungen und die Verantwortung für das Leben und Wohlbefinden eines anderen Wesens stellen sie vor ganz neue Herausforderungen (1). Die bislang fest gefügte leiblich-seelische Konstitution lockert sich, die Frau gerät in eine eher träumerische Gemütslage, die vielfachen praktischen Anforderungen stellen oft eine Überforderung dar. War eine Schwangerschaft früher ein häufig erlebter Zustand, der eingebettet war in die Großfamilie und von Wissen und Weisheit der vorigen Generationen getragen wurde, so hat sich das Erleben heute sehr verändert. Die Betreuung einer Schwangerschaft ist der Medizin übertragen worden und wird dort meist von Kontrolle und Überwachung bestimmt. Statt Vertrauenskräfte zu gewinnen, entwickeln Frauen heute oft Angst vor Komplikationen. Diese Angst, zusammen mit Überforderung, kann das Kind im Leib beeinträchtigen und einen guten Bindungsaufbau erschweren. Die hier aus Erfahrung wirksamen anthroposophischen Mittel können dazu beitragen einen an sich gesunden Zustand, der besonderer Fürsorge bedarf, zu stärken.

Übelkeit, Hyperemesis gravidarum

Übelkeit ist ein möglicher Ausdruck der oben beschriebenen leiblich-seelischen Lockerung. Ist diese zu stark oder kann der Organismus Einflüsse aus der Umgebung nicht angemessen verarbeiten, wirkt eine Morgenübelkeit belastend und schwächend. Nausyn®, so wie Bittermittel unterschiedlicher Stärke – z B. mit den pflanzlichen Wirkstoffen von Gelber Enzian, Wermut, Brechnuss und Löwenzahn –, führen die Seele wieder mehr in den Körper hinein und wirken der Übelkeit entgegen, indem sie das Stoffwechselsystem beleben und entspannen. Hilfreich ist auch Ingwer in den verschiedensten Zubereitungen. In der erwärmenden Durchdringung des Leibes öffnet er ihn wieder für mehr Wohlbefinden. Auch das Anwenden von Akupressur, Heileurythmie und Maltherapie liegt der oben skizzierte Gedanke zugrunde.

  • Nux vomica D6 Tropfen oder Globuli: 4 x tgl. bis 1/2-stdl. 7–12 Tr. oder 5 Glob. in Wasser gelöst,
    vor allem bei stressassoziierter Übelkeit.

  • Nausyn® Tabletten oder Cocculus comp. Tabletten, WELEDA: 3 x tgl. 2 Tbl. 
    besonders bei erschöpften Frauen.

  • Gentiana comp. Globuli velati, WALA: 3 x tgl. 10 Glob., bis alle 2 Std. 5-10 Glob.

  • Bitter Elixier, WALA: 3 x tgl. 1 EL zu den Mahlzeiten.

  • Amara-Tropfen, WELEDA: 3 x tgl. bis alle 2 Std. 10 Tr.

Vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburtsbestrebung

Vorzeitige Wehen treten hauptsächlich bei gestressten, überforderten und leiblich geschwächten Frauen auf. Der Körper signalisiert das Bedürfnis nach Ruhe und einer Schutzhülle vor äußeren Einflüssen. Hier begründet sich die Therapie: Ruhe, Schonung, Herausnehmen aus dem Arbeitsprozess und Unterstützen bei den häuslichen Verrichtungen, gerne durch den Partner, sowie eine nährende Kräftigung des Leibes.

Als Heilmittel steht Bryophyllum, das Brutblatt, im Zentrum (2). Verabreicht schafft es eine Fülle der Lebenskräfte, in die sich die Seele ausatmend entspannen kann. Die werdende Mutter versinkt wie träumend in einer satten Umhüllung. Bryophyllum gehört zu den Dickblattgewächsen und macht seiner Familie alle Ehre. Ein ungegliedertes satt grünes Blatt, das seine feuchte Substanz in die Blattfläche ergießt und nur von einer leichten Zahnung berandet wird, bestimmt die Erscheinung der Pflanze. Immer wieder und wieder tritt es in einfacher Kreuzgegenständigkeit an den Blattstielen der sich verzweigenden Pflanze auf. Die grüne Blattsubstanz wird von einer ledrigen Hülle gehalten, fast aufgestaut. Aus dieser Substanz heraus kann sich die Pflanze vermehren: In den Blattkerben treten kleine vollständige Brutpflanzen in Form eines Keimblattes auf, dann erste Blattpaare mit Wurzelhärchen, die sich von der Mutterpflanze lösen und den Boden besiedeln. Diese unerschöpflich quellende Wachstumskraft wirkt heilsam auf einen erschöpften und übertonisierten Menschenleib.

  • Bryophyllum 50% Trit., WELEDA: 3 x tgl. ½ TL oder

  • Bryophyllum comp. Globuli velati, WALA: 3 x tgl. 10 Glob.,
    besser geeignet bei seelischer Überforderung mit Ängsten und Problemen.

Rezidivierende Vaginalinfektionen mit oder ohne Frühgeburtsbestrebungen

Hierbei handelt es sich um durch Infektionen bestehende Frühgeburtsbestrebungen, die in der Tat häufiger in eine Frühgeburt münden. Infektionen mit Bakterien können Eingang in den Leib finden, wenn die Wärmehülle der Mutter nach unten geöffnet ist. Neben antimykotisch und antibakteriell wirksamen Substanzen enthalten

  • Majorana Vaginalgel, WALA bzw.

  • Majorana/Melissa Vaginaltabletten, WELEDA

Pflanzenwirkstoffe, die diese Wärmehülle im unteren Körperbereich stützen und so nachhaltig vor Infektionen und einem zu frühen Start ins Leben schützen.

Antibiotika sind in der Schwangerschaft bei allen Indikationen mit großer Vorsicht anzuwenden, schädigen sie doch das im Entstehen befindliche Mikrobiom, die mütterliche Bakterienflora und auch die Bakterien von Plazenta und Muttermilch, die eine hohe Bedeutung für das kindliche Immunsystem haben (3).

Ebenso wie die zahlreich zur Verfügung stehenden Milchsäurepräparate enthält auch das Vaginalgel Milchsäure und damit sehr gut zur Vorbeugung von Infektionen geeignet.

Gestose/Präeklampsie

Eine besondere Form der Auseinandersetzung zwischen Mutter und Kind stellt die Gestose dar. Dem Kind steht zu wenig Raum zur Verfügung, wobei die Frage, ob die Mutter nicht ausreichend Raum geben oder es selber sich nicht ausreichend in diesen Raum hinein ausdehnen kann, sehr differenziert betrachtet werden muss. Neben anderen Problemen führt die Gestose daher oft zu einem mangelnden Wachstum des Kindes. In diesem Fall empfehlen wir eine Einreibung des Bauches mit

  • Aurum/Lavandula comp. Creme, WELEDA: 2 x tgl. einreiben ,

deren Duft allein schon als heilsam empfunden wird. Die Mutter kann die Einreibung in einer dem Kinde zugewandten Achtsamkeit vornehmen und so selber therapeutisch für das Kind tätig werden.  In dieser Zuwendung verstärkt sich die Kraft der Heilmittelwirkung und das Kind kann sich kräftiger entwickeln. Das über den Uterus – dem „Herz des Unterleibs“ – aufgenommene Gold in der Creme zur Stärkung des Ungeborenen wirkt mit der entspannenden und durchwärmenden Wirkung des Lavendels und der belebenden Wirkung der Rose harmonisch zusammen.

Bei anderen Symptomen der Gestose, wie zum Beispiel der Hypertonie, führen Olivenit aquosum oder andere Kupferpräparate zu einer Lösung der zu stark im Körper verkrampften Seelenkräfte und haben so eine entspannende Wirkung auf die Muskulatur, die Gefäße und fördern eine Durchwärmung.

  • Olivenit D6, WELEDA: 3 x tgl. 1 Msp. Trit. oder 2-3 x tgl. 1 Amp. s. c.

Kupfer hat einerseits durch seine einhüllenden Eigenschaften eine aktiv anregende Wirkung auf die Wärmeorganisation und stimuliert ihre aufbauenden Funktionen. Andererseits unterstützt Kupfer Abbau und Ausscheidungsprozesse in der Niere. Im Seelischen entspricht der Aufbau der Fähigkeit zur Liebe und Hingabe, der Abbau der Leidens- und Läuterungsfähigkeit. Das Kupfer hat sich in der Schwangerschaft sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch gut bewährt. Bei der Präeklampsie löst Kupfer die krampfartig angespannte seelische Organisation (4).

Zur Anregung des Stoffwechsels während einer Gestose, insbesondere bei Ödemen:

  • Equisetum cum Sulfure tostum D6 Trit., WELEDA: 3 x tgl. 1 Msp.

Schwangerschaftsanämie

In der Schwangerschaft ist ein niedrigerer Hämoglobinspiegel physiologisch, was zum Teil auf die Erhöhung des Blutvolumens zurückzuführen ist. Der Kupferspiegel hingegen steigt, ebenfalls physiologisch bedingt, stark an. Eisen und Kupfer sind in ihrer Bedeutung polare Metalle, den Planeten Mars und Venus zugeordnet. Vergleicht man die Gesten der Metalle, auf der einen Seite der Kriegsgott Mars energisch, willensbetont und sich durchsetzend, auf der anderen die schaumgeborene Venus, hingegeben an das Schöne, empfangend und gebend, wird deutlich, dass eine Schwangerschaft mehr des Kupfers als des Eisens bedarf. Folgerichtig weisen Schwangere trotz leicht erniedrigter Werte oft wenig klinische Beschwerden auf und vertragen gleichzeitig substanzielle Eisengaben nicht gut.
Neben Empfehlungen für eine eisenreiche Ernährung haben sich folgende Präparate bewährt:

  • Floradix Kräuterblut mit Eisen: 2-3 x tgl. 15 ml, abhängig vom Bedarf.

  • Ferrum ustum comp. Trit., WELEDA: 2 x tgl. 1 Messerspitze.

  • Anaemodoron® Tropfen, WELEDA: 3x tgl. 10-20 Tr. Zur Anregung der Eisenverwertung.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin