Maltherapie bei Cancer related Fatigue

Dagmar Brauer, Cristina Mösch de Carvalho

Letzte Aktualisierung: 07.01.2020

Die folgenden Beispiele für maltherapeutische Übungen sind hinsichtlich ihres Bezuges zu den verschiedenen Ebenen der Cancer related Fatigue (CRF) ausgewählt: der Vitalitätsebene, der seelisch-affektiven Ebene und der kognitiven. Es sind Übungen, die in der Maltherapie einer multimodalen CRF-Studie eingesetzt wurden, sowie allgemein in der Praxis für Menschen mit Erschöpfungssyndrom bewährte (1). Sie werden in der Gruppen- und Individualtherapie eingesetzt, wenn das CRF-Symptom als Hauptbeschwerdebild den maltherapeutischen Behandlungsauftrag bestimmt.

Auf der Ebene der Vitalität geht CRF einher mit außerordentlichem Kräftemangel und einer Leistungsminderung, mit Tagesschläfrigkeit und einem stark erhöhten Ruhebedürfnis, seelisch-affektiv mit Motivationsschwäche, depressiven und ängstlichen Verstimmungen und kognitiv mit Konzentrationsstörungen und Erinnerungsschwächen.

Damit werden alle maltherapeutischen Übungen relevant, die sich beziehen auf die Stärkung ätherischer, ganzheitlicher Prozesse – wie das Erleben von Farbenatmung, von Hell/Dunkel-Rhythmus, von Farb- und Formbewegungen, auf die Stärkung seelischer Prozesse – wie das Erleben von Form- und Gestaltungskraft im Zeichnen, Malen und Aufbauen eines (individuellen) Bildmotivs, und auf die gerichtete Aufmerksamkeit, das eigenschöpferische Tun und das Wertschätzen und Integrieren künstlerischer/kultureller Erfahrungen in die konkrete Lebenssituation onkologischer Patienten (2).

Übungen zur Stärkung der vitalen und rhythmischen Kräfte

  • Variationen von Blau/Gelb-Mischungen („Grün-Übungen“) in der Nass-in-Nass- oder Aquarell-Schichttechnik.
    Grün großzügig in der Fläche ermalen. Im Grün verbinden sich Gelb und Blau als Lichtes und Finsteres.

  • Lemniskaten und einfache, der Natur abgeschaute Grundformen in allen Abwandlungen.

  • Sich rundende oder geschlossene Bewegungen aus dem Formenzeichnen, die sich rhythmisch und spielerisch vergrößern und verkleinern lassen.
    „Rhythmus trägt Leben.“ (3, S. 435)

  • Hell-Dunkel-Übungen mit dem Ermalen von Kontrasten zwischen Licht und Finsternis,
    z. B. mit Kohlepigmenten. Es ist ein Angebot an die Seele, durch eine künstlerische Erfahrung Spannung und Spannkraft zu erleben, die sich physiologisch bis in den Lebensleib (Ätherleib) fortsetzen kann.

  • Grün als Nachbild
    Dazu ein rotes Papier von mindestens 30 x 30 cm Größe an eine weiße Wand heften und die Patienten mit Abstand ca. eine halbe bis eine Minute draufblicken lassen. Dann rotes Papier entfernen, an dessen Stelle sich ein leuchtendes Grün für die Betrachtenden abbilden sollte. Das Nachbild lebt real im Wahrnehmen und wird nur durch unsere Blicke gleichsam auf die äußere Fläche projiziert. Dieser sinnesphysiologische Prozess ist ein guter Indikator dafür, wie kräftig die ätherische Bildemöglichkeit momentan ausgeprägt ist.

Zur Stärkung der seelisch-affektiven Kräfte

Alle folgenden Übungsbilder greifen das seelische Leben zwischen Licht und Dunkelheit in einer farbenlogischen Bildreihenfolge auf. Das Erleben eines Tag-/Nacht-Rhythmus wird hier durch Kunst angeregt.

  • Zum Einfinden in die Nass-in-Nass-Maltechnik eignet sich eine einfache malerische Licht-Finsternis-Übung als siebenteilige Bildreihe, wie sie beispielsweise eine Kollegengruppe in dem Buch «Therapeutisches Zeichnen und Malen» (4, S. 431) abgebildet hat.

  • Sehr geeignet ist die neunteilige Malerische Atemübung von Dr. Margarethe Hauschka (5), die farblich den Gang vom kräftigen Mittagsrot in den farbenflutenden Nachmittag, in den ruhigen Sonnenuntergang, weiter in den farbenkühlen Abend und in die blaue Nachtstimmung vollzieht, dann im Mondaufgang sich zeigt, welcher übergeht in eine farbenzarte Frühmorgenstimmung und schließlich in einen strahlend-hellen Sonnenaufgang.

  • Auch die malerische Beschäftigung mit Rudolf Steiners Schulungsskizzen „Sonnenaufgang“, „Sonnenuntergang“ und „Mondaufgang“, „Monduntergang“ wird maltherapeutisch eingesetzt (6).

  • Freie malerische Entwicklungsreihen, die folgendes Prinzip berücksichtigen: von der Fläche zur Form, von der Farbeneinheit zur Farbenvielheit, von der Dunkelheit ins Licht. Das zunehmende Aufrufen gestalterischer Kräfte ist hier die Intention.

Zur Stärkung der kognitiven Kräfte

  • Anspruchsvollere Figuren aus dem Formenzeichnen, die durch einen fließenden, jedoch gleichzeitig differenzierten Schwung in der Ausführung zur Vollendung gelangen.

  • Eigene Farbenskizzen anlegen nach dem Beobachten der Lichtveränderung in der Natur zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang (z. B. mit Pastellkreide).

  • Gemeinsame Bildbetrachtung zum Thema „Sonnenlicht“ und „Mondlicht“, von beispielsweise Caspar David Friedrichs subtilem Tageszeitenzyklus „Der Morgen“, „Der Mittag“, „Der Nachmittag“, „Der Abend“ (alle von 1821/22) sowie andere Bildwerke.

Zur Stärkung individueller Form- und Gestaltungskräfte

  • Das Ermalen eigener Motive und «Lebensbilder» fördern im malerischen Umsetzen biografischer, literarischer oder Märchenbilder, insbesondere hinsichtlich konkreter detaillierter Ausgestaltung.
    Hier kann sich das Ich des tumorerkrankten Menschen engagieren und versuchen, dem gestalt- und strukturauflösenden Krankheitsgeschehen von dieser Wirkebene aus etwas entgegenzusetzen.

Literaturverzeichnis

  1. Brauer D, Mösch de Carvalho C. Das Erschöpfungssyndrom als Herausforderung in der Maltherapie mit onkologisch Erkrankten. Der Merkurstab 2017;70(5):400-405.
  2. Brauer D, Asmussen A, Müller U, Gonsior E. Anthroposophische Maltherapie in der Onkologie. Der Merkurstab 2009;62(4):373-377.
  3. Hauschka R. Wetterleuchten einer Zeitenwende. 3. Aufl. Berlin: Salumed Verlag; 2012.
  4. Mees-Christeller E, Denzinger I, Altmaier M, Künstner H, Umfrid H, Frieling E, Auer S (Hrsg.) Therapeutisches Zeichnen und Malen. Anthroposophische Kunsttherapie Bd. 2. 2. Aufl. Stuttgart: Verlag Urachhaus. Kostenloser Download unter: https://www.salumed-verlag.de/kostenlose-downloads/reader/product/anthroposophische-kunsttherapie-2.html
  5. Hauschka M. Eine malerische Atemübung. Sonderdruck aus dem «Staedtler-Brief» Nr. 16. Nürnberg: J. S. Staedtler (ohne Datum).
  6. Steiner R. Schulungsskizzen «Naturstimmungen» für die Malkurse von Henni Geck. In: Steiner R. Das malerische Werk. Dornach: Rudolf Steiner Verlag; 2007.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

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