Anthroposophische Psychotherapie bei Trauma - Einführung

Andrea Henning, Hartmut Horn

Letzte Aktualisierung: 16.03.2022

Anthroposophische Psychotherapie sieht sich als eine Psychotherapie der menschlichen Würde (1), wobei die Gesundung der Ich-Kräfte und der Ich-Entwicklung im Mittelpunkt stehen (2). Durch spezifische Übungen und Techniken wird der Patient durch einen Prozess begleitet und geleitet, der es seinem Ich wieder ermöglicht, seine ordnende und integrierende Rolle für die Seelen- und Körperfunktionen zu übernehmen.

Zur Prävention chronischer Traumafolgestörungen werden Maßnahmen der Frühintervention bei humanitären Katastrophen weltweit seitens der Anthroposophischen Pädagogik, Psychotherapie, und Medizin durchgeführt. Wo es möglich ist, behandeln vor Ort multidisziplinäre Teams der Freunde der Erziehungskunst (3), des Parzival-Zentrums Karlsruhe (4, 5) sowie von stART-International (6) schnellstmöglich die Traumaopfer. Insbesondere in den ersten Tagen kann die spätere Entwicklung einer Traumafolgestörung günstig beeinflusst werden. Auch anthroposophische heilpädagogische Organisationen und Einrichtungen bieten traumatisierten Kindern bei akuten sowie chronischen Störungen eine langfristige integrative Behandlung und Betreuung an. 

Im internationalen Austausch arbeiten und forschen anthroposophische Therapeutenteams der International Federation of Anthroposophic Psychotherapy Associations (IFAPA) an den unterschiedlichen kulturspezifisch-historischen Faktoren ihrer jeweiligen Länder sowie an deren transgenerationalen Wirkmechanismen mit ihren Implikationen für die individuelle Therapie. Die Anthroposophische Psychotherapie stellt sich der Anforderung, die Komplexität des Themas in interdisziplinärer Zusammenarbeit – gemeinsam mit allen therapeutischen Disziplinen innerhalb und außerhalb der Anthroposophischen Medizin – zu erforschen. Es werden neue, innovative methodologische Ansätze entwickelt, welche in einem integrativen Behandlungskonzept Anwendung finden (7, 8).

Literaturverzeichnis

  1. Dekkers A. Psychotherapie der menschlichen Würde. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben; 2012.
  2. Klünker WU, Reiner J, Tolksdorf M, Wiese R. Psychologie des Ich. Anthroposophie, Psychotherapie. 2. Aufl. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben; 2021.
  3. Siehe auch www.freunde-waldorf.de.  
  4. Siehe auch https://www.parzival-jugendhilfe.de/ueber-uns/parzival-zentrum/.
  5. Ruf B. Trümmer und Traumata. Anthroposophische Grundlagen notfallpädagogischer Einsätze. 2. Aufl. Arlesheim: Verlag des Ita Wegman Instituts; 2012.
  6. Siehe auch www.start-international.org
  7. Mancini A. Psychotraumatherapie und ihre Erweiterung durch die Anthroposophie. Der Merkurstab 2017;70(4):278-286. DOI: https://doi.org/10.14271/DMS-20818-DE.
  8. Straube M. Versuch eines Konzepts der Traumatherapie. Der Merkurstab 2016;69(6):431-438. DOI: https://doi.org/10.14271/DMS-20709-DE.

Neues aus der Forschung

Phase IV-Studie: Kalium phosphoricum comp. bei Reizbarkeit und Nervosität Placebo überlegen
In einer neuen klinischen Studie wurde Kalium phosphoricum comp. (KPC) gegen Placebo an je 77 Patienten pro Gruppe getestet. Eine Post-hoc-Analyse der intraindividuellen Unterschiede nach 6 Wochen Behandlung zeigte einen signifikanten Vorteil von KPC gegenüber Placebo für die charakteristischen Symptome Reizbarkeit und Nervosität (p = 0,020 bzw. p = 0,045). In beiden Gruppen wurden 6 unerwünschte Ereignisse (UAE) als kausal mit der Behandlung zusammenhängend bewertet (Schweregrad leicht oder mittelschwer). Keine UAE führte zu einem Abbruch der Behandlung. KPC könnte daher eine sinnvolle Behandlungsoption für die symptomatische Linderung von Neurasthenie sein. Die Studie ist in Current Medical Research and Opinion frei zugänglich publiziert:  
https://doi.org/10.1080/03007995.2023.2291169.

Weiterführende Informationen zur Anthroposophischen Medizin